Film ab, Augen auf: Es gibt viel zu entdecken und noch mehr zu erfahren rund um das Ruhrgebiet als cineastische Hochburg mit etwa 1.000 Kinos zwischen 1900 und jetzt. Menschen, Technik, legendäre Drehs und Dokus, Kinogeschichte und -geschichten sind im Ruhr Museum versammelt und in 20 Kapiteln facettenreich und ansprechend arrangiert. Eine Herausforderung für die Kuratoren, die vor der Aufgabe standen, „bewegte Bilder“ und das ganze Drumherum in ein starres Ausstellungsformat zu pressen. Die riesige fensterlose Halle auf der 12m-Ebene mit ihren dunklen Nischen und Kabinetten ist als Präsentationsort ein Glücksfall, weil: nah dran an echter Kinoatmosphäre. Filme gibt‘s hier freilich nicht zu sehen. Die laufen im opulenten Begleitprogramm, u.a. im Essener Filmstudio Glückauf, dessen 100-jähriges Bestehen den Anlass für die Ausstellung gab. Stattdessen werden ca. 950 Exponate mit dezentem Chic in den klassischen Kinofarben Weiß, Rot, Gold in Szene gesetzt.
Ein Team aus sieben Kuratoren um Museumsdirektor Heinrich Theodor Grütter befasste sich mit dem fachlichen Background und wählte die Schauobjekte aus. Ein fester Rundgang ist nicht vorgegeben, doch der Einstieg gehört der Historie. Am Eingang wird der Blick gelenkt auf eine Projektion von Ansichten ehemaliger Ruhrgebietskinos und eine lange Reihung Originalkameras, Filmrollen und Vorführgeräte von anno tuck, als die Bilder laufen lernten. Sie gehörten innovativen Pionieren wie dem Wittener Kohlenhändler Wilhelm Wiedau, der ab 1898 als Wanderkinobetreiber durch die Region tingelte, oder dem Bottroper Theodor Beulmann, der in seiner Kneipe ab 1911 eines der ersten stationären Kinos betrieb. Vieles ist heute unvorstellbar, etwa die Rolle von Premierenkinos wie der Lichtburg, die vor der Ära des Fernsehens und der Hochglanzmagazine die einzige Chance boten, sich Filmstars zu nähern.
Kurz: Wer oder was Ruhrgebietsfilm und -kino ausmacht, ist hier präsent: echte Kassenhäuschen, Festivalplakate, Starfotos, unvergessene Filmszenen, Kulissenmodelle, Kostüme und Devotionalien, etwa ein Schimanski-Strickpüppchen mit Handschellen, oder eine explosionsgeschützte Spezialkamera für Aufnahmen unter Tage. Die Ausstellung ist nicht nur ein Fest für Cineasten, sondern Zeitgeschichte pur, voller Emotionen und Erinnerungen. Großes Kino eben.
Glückauf – Film ab! Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets | bis 2.3.2025 | Ruhr Museum, UNESCO-Welterbe Zollverein | 0201 24 68 14 44
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