Fäden, Farbe, Raum – diese drei Komponenten bilden den roten Faden in Sheila Hicks‘ Œuvre. Statt mit Stift oder Pinsel malt sie mit farbigen Garnen und (er)findet dabei unermüdlich immer neue ausdrucksstarke Techniken und Möglichkeiten, Seide, Leinen, Wolle, Draht und Baumwolle webend, flechtend, knüpfend, umwickelnd in textile Kunst zu verwandeln – und dies konsequent seit rund sieben Jahrzehnten.
Die 90-jährige US-Amerikanerin ist nach wie vor künstlerisch aktiv, mittlerweile international geschätzt und in allen wichtigen Ausstellungen vertreten. Nur in Deutschland bislang noch nicht. Dafür nun aber gleich zweifach – in einer Doppelausstellung mit 250 Werken auf insgesamt 1.700 qm. Gemeinsam konzipiert von der Kunsthalle Düsseldorf, die Hicks‘ jüngsten Großinstallationen den optimalen Freiraum bieten kann, und dem Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, wo eine Retrospektive an beispielhaften Werken aus allen Schaffensphasen die schrittweise Entwicklung der Künstlerin nachvollzieht. Von Hicks‘ studentischen Anfängen mit abstrakter Farbfleck-Malerei in den 1950er Jahren über erste Webexperimente, inspiriert von Texturen der Anden-Kulturen, und große Gebetsteppiche neben farbenfrohen Miniaturen bis hin zu skulpturalen Werken, teilweise mit Architekturbezug.
Mit Bottrop ist die Künstlerin über Josef Albers verbunden, ihren einstigen Professor an der Yale School of Art: Albers protegierte seine begabte Studentin und schulte ihr Gespür für Farbe und Struktur. Auf kurzen Texttafeln, die den chronologischen Rundgang durch die acht Räume begleiten, sind immer wieder Verbindungen zwischen Hicks und Albers eingeflochten.
Der Parcours ist abwechslungsreich und animierend, zeigt Textilkunst für Wand, Sockel, Boden und Zimmerecken, zarte, farbenfrohe Farbfeld-Webereien und umwickelte „Lianen“ in leuchtendem Orange neben monochromen Verspannungen und wolligen Wandteppichreliefs. Dazwischen Dokumaterial in Vitrinen und in den letzten Räumen neue Wand-Pompoms aus Acrylfasern und ein ungeformter roter Ballenhaufen in der Ecke, in den man sich am liebsten reinwerfen würde, wenn‘s erlaubt wäre. Sheila Hicks textile Kunst ist nicht nur ein variantenreicher ästhetischer Augenschmaus, sondern auch haptisch unwiderstehlich. Wer mal anfassen will, darf Tafeln mit Materialproben streicheln.
Sheila Hicks | bis 23.2. | Josef Albers Museum Quadrat Bottrop | 02041 37 20 30
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