Welcome to the pleasuredome. Hier verbringt man nicht die ganze Nacht mit sozialwissenschaftlichen Studien wie Jürgen (Uwe Rohbeck), hier kotzt man seine Befindlichkeit auf den Kneipenboden, hier stopft man sich mit Toastbrot die Körperöffnungen zu, hier sticht Tom Jones im ersten Song die unglückliche Liebe Delilah nieder. Der Hit hat bereits hellseherisches Potential und Fotzi (Christian Freund) hat die Platte in der Musikbox gedrückt. Wer Werner Schwab kennt, weiß jetzt bereits, welche wunderbaren Abgründe der Abend noch offenlegen wird. Johannes Lepper inszeniert seine Version von „ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM“ im Studio des Dortmunder Theaters und führt den 17 Jahre alten Angriff auf die vermaledeite Kleinbürgerlichkeit ins 21. Jahrhundert, *dem* Zeitalter der Neuen Völkerwanderung. In der Kneipe sitzen also eine schicke Kamerunerin und ein smarter Syrer als „Das schöne Paar“ (Edith Voges Nana Tchuinang und Rafaat Daboul) mit Migrationshintergrund, und ihre Anwesenheit ist in dieser Umgebung fast absurder als der schwitzende impotente Päderast Schweindi (Andreas Beck), seine dauerhäkelnde Hasi (Marlena Keil) oder der gewalttätige Karli (Frank Genser).
Nein, der Endsieg der menschlichen Vernunft steht bei Schwab nie vor der Tür und Lepper lässt die Zuschauer das auch martialisch spüren, aus dem schwabischen Kammerspiel mit Dauerdialogen wird am Ende des ersten Aktes ein splattriges Pornofestmahl für alle aus der traurigen Gesellschaft. So schafft der Dreck Klarheit, aber keine Einsicht. Eine der Hoffnungen des Autors – die Inszenierung erfüllt das überzeugend, denke ich. Alle Personen sind gnadenlos gezeichnet vom Leben, das sie nie hatten, alle agieren in der Kneipe im Angesicht eines endlosen Ozeans. „The winner takes it all“, und das ist nur die Oberfläche eines jeden Leibes, der nach Erlösung strebt, denn die Menschlichkeit hat sich an ihnen vergangen. Das Europäische Abendmahl beginnt jetzt. Vater unser im Himmel. Erlösung bietet nur noch das verheulte Opfer Herta (Friederike Tiefenbacher), die plötzlich an der Spitze der Evolution zu stehen scheint und deren abgelutschte Zehen das Himmelreich verheißen. Doch am Schluss ist das schöne Paar wieder da, etwas abgebrühter, mehr so armutstouristisch angehaucht. Sie freuen sich an den göttlichen Idioten. Wir auch.
„ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM“ | R: Johannes Lepper | So 18.2. 18.30 Uhr, Di 8.3. 20 Uhr | Studio Dortmund | www.theaterdo.de
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