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„Extremophil“
Foto: Sandra Schuck

Der Feind im Kopf

26. April 2018

„Extremophil“ im Prinz-Regent-Theater Bochum – Theater Ruhr 05/18

Das Ziel im Blick. Die Karriere läuft. Kapitalismus ist scheiße. Besonders mit internationaler Ausstrahlung. Exzellenz. Als Dauerschleife: Dalida singt paroles. Drei schneeweiße Menschen stehen in einer schneeweißen Welt. Stille Nacht. Heilige Nacht. Heiliger Krieg und überall Extremophile. Perfekt ans System angepasste Zahnräder, keine Loser, nein, Entscheider, oder besser Mitentscheider. Über ihnen hängen weiße Wolken und ein bläuliches Gespinst aus Wasserschläuchen. Der Historiker ist nun Stabschef des Bildungsministers (Helge Salnikau), auch Redenschreiber eines Bildungsministers irgendwo in der westlichen Welt, namenlos. Du, nennt er sich selbst. Er, der sich für einen sauberen Typen hält, schwul mit Vorzeigefamilie, zwei Kinder, auf Reisen ab und an ein Männer-Fick ohne Smalltalk. Cool. Glatt. Unangreifbar. Sie (Philine Bührer) macht statt Umweltschutz die Meere unsicher. Statt wissenschaftlicher Forschung über Extremophile Industrieanalysen über deren Unterwasserabbau im U-Boot, aber ohne Lover. Irgendwo in der Wüste von Nevada sitzt der Dritte im Bunde. 12.000 Kilometer entfernt von Pakistan führt der Soldat (Bernhard Glose) dort einen Krieg gegen vermeintliche Terroristen und gegen sich selbst. Alle drei wollten etwas anderes. Graffiti statt zehn Bildschirmen auf dem Schreibtisch. Pinsel statt Joystick des Todes. It wasn't meant to be.

Frank Weiß inszeniert im prinzregenttheater Extremophil von Alexandra Badea als deutsche Erstaufführung und als vorletzte Premiere in der Ära Romy Schmidt. Die Organismen, die den Titel geben, sind die Ursache für Leben an sich, große Hitze, kein Sauerstoff, kein Licht und doch, sie wachsen einen Millimeter in einer Million Jahren. Die Schauspieler wachsen mit ihren Figuren, sie wenden sich ab, sie waschen ihre Hände in Unschuld, sie beflecken ihre weiße Weste und doch: Glücklich werden sie damit nicht und die Mächtigen sind längst unangreifbar. Die erste aufblasbare Wolke fällt aus dem Himmel und anschließend bleibt niemand mehr sauber. Der Takt erhöht sich, doch der Text birgt keine Geheimnisse mehr. Irrtümer erkennen heißt noch lange nicht, auch den Pfad zu wechseln.

„Extremophil“ | R: Frank Weiß | Sa 28.4. 19.30, So 29.4. 20.30 Uhr, So 6.5. 18 Uhr | Prinz Regent Theater Bochum | www.prinzregenttheater.de

PETER ORTMANN

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