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Hans Dreher
Foto: Laura Thomas

„Wir müssen in der Lage sein zu spielen“

12. August 2020

Hans Dreher vom Prinz Regent Theater über die Arbeit während Corona – Premiere 08/20

trailer: Herr Dreher, hat nur noch das Maskentheater eine Zukunft im Schauspiel?

Hans Dreher: Die allerbeste Frage vorweg. Diese Pandemie erleben wir ja alle zusammen. Jeder hat eine Maske an, jeder hält Abstand, aber wollen die Leute das im Theater dann auch noch sehen? Wir sind ja eine Illusionsschmiede, auch ein Unterhaltungsbetrieb. Es ist uns extrem wichtig, den Leuten auf der Bühne etwas zu zeigen, womit sie nicht den lieben und langen Tag konfrontiert sind. Also, ich träume auch während Corona von einem Theater, das nicht nach Corona aussieht. Und auch keine Corona-Dönekesbedient, keine Späßchen macht mit Maske oder Plexiglas-Trennscheiben. Denn das haben wir alle jeden Tag. Im Theater muss es um etwas anderes gehen.

Dennoch hatten Masken im Theater ja schon mal eine größere Bedeutung.

Ja, die allergrößte Tradition, wenn wir an die antiken Anfänge zurückgehen. Was damals alles zum Kostüm gehört hat, Masken und Plateauschuhe. Ich habe in vielen meiner Inszenierungen mit Plastikmasken oder starker Schminke gearbeitet, die Maskentradition wird es auf jeden Fall immer geben. Aber der Grund, einen Schauspielermund abzudecken, muss schon verdammt gut sein.

Wird die Pandemie auch im Herbst noch Sitzplätze kosten?

Nach momentanem Stand theoretisch nicht. Praktisch steht dann die Frage nach der Komfortzone der Zuschauer. Würde sich jemand wirklich gut fühlen, wenn wir bei unserer Normalbestuhlung fremde Menschen Schulter an Schulter setzen? Unter Einhaltung der Abstandsregeln vor und nach der Vorstellung? Und der Nachverfolgbarkeit während der Vorstellung? Oder müssen wir dann doch die bittere Pille schlucken und nur die Hälfte bestuhlen, sodass die Leute das Gefühl eines Abstands um sich herum haben?

Ist Spielplangestaltung eine Form der Hellseherei, sollte es zu einer zweiten Welle kommen?

Absolut. Also, unsere Eröffnung ist am 11.9. und wir müssen in der Lage sein zu spielen, egal, wie gerade die Regelungen sind. Du beschränkst dich also in der Gestaltung eines Spielplans auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, von dem du das Gefühl hast, das kriegst du hin, egal, was gerade gilt, egal, was fürs Publikum gilt und egal, was auf der Bühne gilt. Und das heißt: kleine Besetzungen. Bei der Eröffnung haben wir eine Drei-Personen-Besetzung. Da wird sich noch zeigen, ob und wie die zeitgleich auf der Bühne sein können.

Hat es System, dass ihr mit Shakespeares Zaubermärchen „Sturm“ eröffnet?

Das hat System. Obwohl diese Verabredung noch aus der Vor-Corona-Zeit stammt. Auf die Zusammenarbeit mit dem kainkollektiv sind wir sehr neugierig, die sind auf uns zugekommen und wünschten sich mal wieder eine Bochumer Wirkungsstätte. Die Idee für „Sturm“ kam, als wir während einer Vorstellung eine Sturmwarnung bekamen und deswegen nicht sicher waren, ob wir weiterspielen können. Das war ein Gastspiel von kainkollektiv und der Vorschlag kam von Anne (Rockenfeller), als dann draußen eine riesige Staubwolke über unseren Schotterparkplatz wehte und sie fragte: Warum nicht ShakespearesSturm“? Dazu kommt, dass in diesem Stück wirklich alles steckt, was die Moderne ausmacht. Kolonialismus wird zur Globalisierung. Was heißt es, wenn Menschen mit fremdem Immunsystem irgendwo eindringen und ihre Erreger mitbringen. Was heißt es, wenn Sklaverei und Handel die Umwelt verdrängen und die indigenen Völker. Ich hoffe, wir müssen nicht mit dem Finger drauf zeigen, aber natürlich stecken da auch Corona-Bilder drin.

Aber auch noch Shakespeare?

Auch noch Shakespeare. Zum Glück. Das ist eine große Voraussetzung. Aber so ist eine Arbeit von kainkollektiv. Die werden den Text schon sehr stark bearbeiten. Das müssen sie allein schon deswegen, weil es nur mit drei Personen besetzt ist. Es wird eher ein Abend über Shakespeare und über uns, als dass es ein reiner Shakespeare-Abend wird. Man macht ja auch gerne Shakespeare kaputt, wenn man ihn in zu kleiner Besetzung auf die Bühne bringt. Da müssen wir hellwach sein.

Perfekter Mund-Nasen-Schutz!, Lisa Bihl aus „Der Mensch - Die fast vollständige Geschichte“, Foto: Laura Thomas

Mitte Oktober bleibt es mystisch: Es kommen tanzende Engel und Dämonen?

Ja, wir haben schon in der letzten Spielzeit mit dieser wunderbaren Tanzkompanie merighi | mercy eine Tanzproduktion gemacht. Wobei man das eher Performanceproduktion nennen kann. Ein Sounddesigner, die belgische Schauspielerin Florence Minder und der französische Tänzer Pascal Merighi waren gemeinsam auf der Bühne. Dieses Mal kommt ein Modern-Flamenco-Tänzer, Juan Carlos Lérida, zusammen mit Pascal Merighi. Das wird sicher ein stärker auf Tanz ausgerichteter Abend. Da freuen wir uns wahnsinnig drauf. Selbst da gibt es eine A- und B-Variante. Falls es einen Lockdown gibt und der Tänzer aus Spanien nicht anreisen darf, wurde überlegt, wie man das gegebenenfalls medial lösen kann – vielleicht per Video oder Livezuschaltung. Letztlich stehen alle Regisseure in der nächsten Spielzeit vor dieser Aufgabe.

Aber es sind keine Aufführungen im Internet geplant?

Wir haben eine im Repertoire aus den letzten Monaten im Lockdown. Die können wir jederzeit hervorholen. Aber neu produziert werden keine.

Im neuen Programm geht es mythisch weiter: Ende Oktober kommt „Amor und Psyche“ für Kinder und Jugendliche?

Genau. Ab 8 Jahren. Mit der Jungen Bühne Bochum, die damals um Martina von Boxen herum entstanden ist, die jetzt gerade in Kassel arbeitet und gar nicht mehr eingebunden ist, haben wir schon letztes Jahr eine Koproduktion gemacht: „Silence oder wie ich aus dem Fenster klang“, die wurde direkt fürs Westwind-Festival nominiert. Und richtig, die wollen nächste Spielzeit eine mythologische Geschichte kind- und jugendgerecht erzählen. Mit viel Humor und sicher auch viel Musik – das sind die bevorzugten Mittel der Truppe. Wie so oft in der griechischen Mythologie gibt es eine Happy-End-Variante und eine Sad-End-Variante. Ich bin mal gespannt.

Und du rundest dann das Virus-Jahr mit „All das Schöne“ von Duncan Macmillan ab?

Es ist ein tolles Stück, das eine sehr traurige Thematik behandelt. Aber schon beim Lesen war ich trotzdem heiter. Duncan Macmillan ist eh ein Fuchs. Es ist ein unglaublich schön geschriebenes Stück über Depressionen. Eine harte, auch gegenwärtige Thematik. Ich glaube, man ist ausgelaugt, aber glücklich, wenn der Abend zu Ende ist. 

„Sturm!“ | R: kainkollektiv | 11.(P), 12.9. 19.30 Uhr, 13.9. 18 Uhr | Prinz Regent Theater Bochum | 0234 77 11 17

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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