Irgendwo in einer fremden Galaxie leben die Ritter-Borg. Erstaunlicherweise kennen sie wohl auch einen gewissen Heinrich von Kleist und seine Mär vom träumerischen Käthchen, das plötzlich den Ritter liebt und ihm dann treu wie ein Schaf folgt. Aber dummerweiseträumen diese Androiden nur von elektrischen Schafen, nicht von Geliebten, denen sie im Traum begegnet, die sie aber doch irgendwie verpasst haben. DerNiederländer Bram Jansen inszeniert in Oberhausens Malersaal eine neue Alternative von Kleists selbst ernannter „trefflicher Erfindung“, die bis zum Tod der irdischen Sonne über die Bühnen geistern wird. Warum eigentlich? Zumindest für so einen alten Trekkie wie mich hatte die Inszenierung viele Assoziationen parat, und das machte den Abend sehenswert.
Wie Drohnen in einem Regenerations-Alkoven stehen die Protagonisten auf der Bühne, bis sie aktiviert werden und das melodramatische Geschehen beleben, das einer Traumwelt (gibt’s auch im Vordergrund in H0 Größe) entsprungen zu sein scheint. Mit Nebel und Vorhangwechsel (auf und zu) strukturiert Jansen seine köstlichen Einfälle. Sie bringen zwar das Stück nicht weiter, sind aber visuelle Kabinettstückchen. Wie auch das Nachtsichtgerät, das der Besucher beim Eintritt erhält. Die ganze erste Szene, wo und warum und wie es überhaupt zu Käthchens misslicher Lage kommt, findet nämlich im Dunklen statt. Aber ganz ehrlich, so doll funktionieren die Dinger von Walther (ja wohl die Firma, die auch die PPK von James Bond baute) nicht. Aber dennoch, Kleists Sprache ist völlig ausreichend. Die Attacken zwischen Rheingraf, Burggraf, dem von Strahl und letztlich auch des lotternden Kaisers (aus dem Off) sind dann ja auch wieder ziemlich beleuchtet. Gerade für Graf vom Strahls klinisch paranoide Anwandlungen ist das auch notwendig, auch für die böse Kunigunde von Thurneck-Borg, der am Ende nur der letzte Fluch bleibt. All ihr Bestreben war vergeblich, am Ende kriegt die arme Käthe ihren Ritter, schade eigentlich. Die einzige Frage die sich wirklich stellt: Wird sie dann auch Borg und kriegt so einen netten Regenerations-Alkoven?
„Das Käthchen von Heilbronn“ | R: Bram Jansen | Do 22.1. 19.30 Uhr, So 25.1. 18 Uhr | Malersaal Theater Oberhausen | 0208 857 81 84
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