Was tut ein Elvis-Imitator, der Vater wird, seinen Job verliert und deshalb die Miete nicht mehr bezahlen kann? Genau. Er wechselt das Genre. Zu Hilfe kommt ihm die atemberaubende Dragqueen Miss Tracy Mills. Gut, dass das Stück geschrieben wurde, als Barack Obama noch Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war: Casey kann geholfen werden. Er wird – natürlich erst widerwillig – Teil der Truppe von Tracy.
Fast ein Jahrzehnt nach der Uraufführung in Denver (Colorado) stürmen die Dragqueens von Autor Matthew Lopez die Oberhausener Theaterbühne. Der längst renommierte US-amerikanische Autor und Regisseur hatte das Stück „The Legend of Georgia McBride“ damals auch gegen den systemimmanenten Hass vieler US-Amerikaner gegen alles ihrer Meinung nach „Anormale“ geschrieben. Ausgerechnet mit Männern in Frauenkleidern versuchte er, für mehr Toleranz, Menschlichkeit und Respekt zu werben. Das Musical wurde ein Riesenerfolg und diente – wie sollte es anders sein – zwei Jahre später als Vorlage für eine US-Reality-TV-Show. „RuPaul‘s DragRace“ erhielt einen Emmy – in Deutschland hätte Nachahmer ProSieben für „Queen of Drags“ (2019) mit Heidi Klum, Bill Kaulitz und Conchita Wurst nur die Goldene Fernseh-Himbeere gewonnen.
Im Oberhausener Theater wird natürlich gelitten und gesungen. In einer heruntergekommenen Bar in Panama City (Florida), kollabiert das Leben von Casey. Doch hier steigt er auch wieder auf wie ein Phönix aus der Asche – als Cowgirl Georgia McBride. Allerdings ist der Weg dahin eher steinig: Die Performance in Rüschen und High Heels muss erst einmal angenommen werden – und dann ist da ja auch noch die werdende Mutter an seiner Seite, der er den musikalischen „Seitensprung“ erst einmal verschweigt. Aber schon die New York Dolls, trashige Rockband-Helden einer grauen Vorzeit, haben das mit den Kleidern, den hochhackigen Schuhen und bunten Strumpfhosen bereits in den frühen 1970ern geschafft; Casey schafft das in der Truppe von Miss Tracy Mills natürlich auch. Das Oberhausener Publikum wird doppelt belohnt, zur Inszenierung von Cilli Drexel mit Daniel Rothaug als Casey gibt‘s eine Drag-Show als Gastspiel, hoffentlich ohne Heidi Klum.
The Legend of Georgia McBride | 23. (P), 25.2., 1.3. | Theater Oberhausen | theater-oberhausen.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Wüste des Vergessens
„Utopia“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/24
„Es ist ein Weg, Menschen ans Theater zu binden“
Regisseurin Anne Verena Freybott über „Der Revisor kommt nach O.“ am Theater Oberhausen – Premiere 06/24
„Zero Waste“ am Theater
Das Theater Oberhausen nimmt teil am Projekt Greenstage – Theater in NRW 06/24
Von der Straße ins Theater
„Multiversum“ am Theater Oberhausen – Prolog 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
„Die Geschichte wurde lange totgeschwiegen“
Ebru Tartıcı Borchers inszeniert „Serenade für Nadja“ am Theater Oberhausen – Premiere 01/24
Multiple Zukünfte, sinnlos zerstört
„Die Brücke von Mostar“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/23
Antworten, die verschwiegen werden
„And now Hanau“ in einem Oberhausener Ratssaal – Prolog 09/23
Folgerichtiger Schritt
Urban Arts am Theater Oberhausen – Theater in NRW 08/23
Apokalyptische Symbole
„Der lange Schlaf“ in Oberhausen – Theater Ruhr 07/23
Pennen für den Planeten
„Der lange Schlaf“ in Oberhausen – Prolog 05/23
Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24
„Vergangenheit in die Zukunft übertragen“
Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe über „Give up die alten Geister“ in Bochum – Premiere 12/24
Die Grenzen der Bewegung
„Danses Vagabondes“ von Louise Lecavalier in Düsseldorf – Tanz an der Ruhr 12/24
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Freigelegte Urinstinkte
„Exposure“ auf PACT Zollverein in Essen – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24