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Meister der sanften Subversion: Max Goldt
Foto: Axel Martens

Ein kurzweiliger Abend

30. November 2017

Max Goldt glänzt beim LesArt.Festival in Dortmund – Lesezeichen 12/17

Er ist nicht nur ein Virtuose der Abschweifung, sondern auch des kunstvollen Schlusses vom Detail aufs Ganze – und gerne nähert er sich über das Absurde dem Grotesken: Max Goldt. Sein feiner subversiver Humor bereicherte das diesjährige LesArt.Festival, bei dem Goldt am 11.11. in der Avantgarde-Kultur-Location Domicil auftrat. Zeitloses und Aktuelles kam zum Vortrag – so etwa ein fiktiver Interview-Dialog aus dem 2016 erschienenen ‚Best-of‘-Band „Lippen abwischen und lächeln.“ Subtil mäandernd bewegt sich der Text zunächst um die scheinbar abseitige Frage, ob eine selbst erdachte Binsenweisheit offiziell als Redensart registriert werden könne: „Bricht der Zweig, auf dem er sitzt, vergisst der Vogel, dass er fliegen kann.“ Was zunächst Anlass zur Spekulation über potenzielle Anwendungsbereiche dieses Diktums gibt – etwa die spontane Erkenntnis der Flugunfähigkeit samt Absturz und „Knöchelchenbruch“ infolge „plötzlichen Zweigschadens“ beim unvorhergesehenen Wegbrechen der Versorgungsquellen dubioser Politiker – regt den Interviewer unvermittelt zum eigenen geistigen Höhenflug an: „Der Kiff killt den Keif“, setzt er der Interviewten ein eigenes selbsterdachtes Sprichwort entgegen. So mancher Volksvertreter wäre vielleicht gerade in diesen Tagen tatsächlich besser beraten, zur sedierenden Rauchware zu greifen, statt dem cholerischen Keifen freien Lauf zu lassen.

Manchmal sind es nur kurze Notizen, die als Ausgangspunkt für die Texte von Max Goldt dienen. So etwa der dilettantische Abgesang einer Nachrichtensprecherin auf die verstorbene Musiker-Legende David Bowie. Dann wieder sind es Comic-Szenarien, die den Satiriker wie im 2015 publizierten Band „Räusper“ zu Dramoletten inspirieren, die in subtilen Spitzen kulminieren – nicht zuletzt auf die fragwürdige Doktrin gemünzt, jedermann sei ein Künstler. Ob Mietpreiswucher, der in Metropolen wie London besonders grassiere, oder die „neue deutsche Dunkelheit“ angesichts der „Inszenierung altkommunistischer Mangelbeleuchtung“ in Zeiten des ‚großen Lichtgeizes‘ – auch vor dem nur noch mit Taschenlampe und Lupe lesbaren Kleingedruckten des Zeitgeistwandels macht Goldt nicht Halt. Und selbst Paul Celans „Todesfuge“ ist keineswegs tabu und gerät ins Pointen-Visier.

Einen motivischen Rahmen des Leseabends bilden zudem wortspielerische Spitzen auf dem verminten Terrain gleichgeschlechtlicher Beziehungen. So eröffnet Goldt die Veranstaltung mit einem Text, der sich neben den ästhetischen Entgleisungen von Lampendesignern, deren Kreationen wie „metallene Riesenvögel mit Gleichgewichtsstörungen“ wirken, mit der mutmaßlichen Funktion eines Bidets sowie der Frage nach Sexualpraktiken von „Lesben“ befasst. Hierbei scheut sich der Satiriker nicht, eine Wortreihe aufzumachen, die über „Putze“ und „Tippse“ zu „Petze“ und „Tanke“ führt – wobei es sich allesamt auch um „durch Niedersachsen gluckernde Nebenflüsse der Leine handeln könne“; „Lesbierin“ dagegen klinge irgendwie nach „Würgerin“. Vielleicht um der Geschlechtergerechtigkeit willen schließt der Abend dann mit einem Text über die Schwierigkeiten, einem Mann im Beisein seiner Frau selbst in einer „anti-heteronormativen Gaststätte“ Komplimente zu machen... Dann plötzlich geht das Licht an – viel zu früh an diesem kurzweiligen Abend.

ULRICH SCHRÖDER

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