Viel ist nicht mehr übrig vom Zorn der Jugend. Viel ist nicht mehr übrig von der großen Depression einer Gesellschaft gegenüber, die vom Leben nur das große persönliche Räderwerk erwartet. Ja, ja, ja, ja. Zwischen dem Aufbau von Flüchtlingszelten und dem anvisierten Clash der Kulturen wird aus Ewald Palmetshofer „Helden“ eher eine Ohnsorg-Geschichte aus der Vergangenheit. Auch die dritte RAF-Generation rafft heute Kohle zusammen, natürlich nur für die dritten Zähne. Politik ist immer noch ein Selbstbedienungsladen für die, die früher in der Regel Wirt wurden. Liebe, Identität und Terrorismus. Das ist Geschichte. Palmetshofer Super-Helden David und Judith sind Geschichte, nur das Schweigen hat noch Bedeutung. Insofern ist die Inszenierung von Jung-Regisseurin Laura N. Junghanns folgerichtig unaufgeregt, fast spärlich, denn es geht darum etwas zu sagen, nur um das endlose Schweigen zu verdrängen, um es aber auch wieder zu erlangen, denn die Parameter, denen die beiden Geschwister folgen, sind nie welche gewesen. Sie sind sich selbst die einzigen Bezugspersonen, außer ihrem eigenen fast inzestuösen Mycel wandern Sätze, Gedanken durch den Raum, unter dem Tisch hängt ein Aufnahmegerät. Das erzeugt Kassetten voller Erinnerungen, Gedanken an Eltern, Freunde, Liebhaber, das schafft Bezüge, die überflüssig wurden.
Im Bochumer Prinz Regent Theater steht ein Flokati-Sitzmöbel aus der Pseudodesign-Akademie. Der Tisch, ein Telefon und ein Radio, das die aktuellen Ereignisse preisgibt. Zwei Terroristen haben einen Anschlag mit 120 Toten auf einen Hotelkomplex verübt und sind auf der Flucht. Corinna Pohlmann und Luca Zahn hocken in der Falle. Er argumentiert noch gegen das Universum, sie gegen die Versuche an der Normalität. Dazu bimmelt das blöde Festnetz-Telefon andauernd. Sie gehen konspirativ nicht ran, die Polizei? Spiderman und Catwoman stecken in der Klemme. Wut überdeckt Trauer. Worüber? Über tote Menschen? Über Martin, Opfer und Loverboy? Über die Eltern, die zufällig auch im Wellnesshotel waren? Zäh verrinnt die Zeit in der Teppich-Zelle. Einen Ausweg gibt es nicht. Warum auch.
„Helden“ | R: Laura N. Junghanns | 29.1., 30.1., 4.3. 19.30 Uhr | Prinz Regent-Theater Bochum | 0234 77 11 17
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