Fiktiv ist es nicht. Deterministisch? Auch nicht. Und schon gar nicht ist es mit Kapital zu verwechseln, bemüht sich Ernst-Wilhelm Händler zu erklären, bei der Diskussion mit dem Publikum um eine Definition dieser Kategorie, die unseren Alltag durchdringt: das Geld. „Es geschieht wirkliche Geldschöpfung. Dieser Prozess wirft die Wirtschaft an“, sagt der Autor und Unternehmer über das Finanzgeschäft. Und stellt über die Diskussion fest: „Wir sind jetzt weniger literarisch, sondern ökonomisch unterwegs.“
Natürlich wirft sein aktueller Roman wirtschaftliche Fragen schon alleine wegen seines Titels auf: „Das Geld spricht“. In der Reihe „Dialoge“ in der Essener Buchhandlung Proust las Händler aus seinem knapp 400 Seiten schweren Werk und sprach mit dem Literaturkritiker Hermann Wallmann. Eines der Themen: die Perspektive, aus der er erzählt. Denn die nimmt das Geld selbst ein. Es kreist schon zu Beginn des Romans um einen Bänker und einen Gründer, es geht um Anlagemöglichkeiten, Lücken des Profits.
500 Millionen will dieser Unternehmer zinsbringend anlegen. Drei Bewerber wetteifern um die Beute. „Das ist eine archetypische Situation“, sagt Händler über die Konstellation. Seine Protagonisten sind allesamt stereotypisch gezeichnet oder sogar namenlos: Da ist der „Nano-Mann“, der mit technischer Raffinesse in der Hedgefonds-Sparte durchstartete. Da ist der „schwere Mann“, so behäbig und depressiv, dass er sich durch die Bankgebäude schleppen muss. Und schließlich mischt die kapriziöse „Banana Clip“ mit.
Zwischendurch meldet sich immer wieder das Geld selbst zu Wort – oft in Großbuchstaben. Es ist gekränkt: wegen seines Wertverlustes, wegen der Negativzinsen. Deswegen lässt Händler es ausrufen: „DAS IST UNSINN! ICH HABE IMMER NOCH DIE MACHT!“, oder zugleich den eigenen Stellenwert beteuern: „Ich kann sagen: Diese Dinge und diese Ideen haben meinen Geist angenommen. Wer kann das schon von sich sagen?“
Als Unternehmer und gelernter Volks- sowie Betriebswirt kann Händler über ökonomische Zusammenhänge referieren. So auch an diesem Donnerstagabend über den Bedeutungsverlust des Geldes in Zeiten von Wachstumsstau und Nullzinspolitik: „Es gibt viele Probleme auf der Welt, wo das Geld nicht mehr hilft, wie etwa bei der Klimakrise“, sagt der Münchner. „Darunter leidet es auch.“
Diese Leidensgeschichte eröffnet sein Roman. Aber Belletristik über die abstrakte Kehrseite dieses Tauschwerts? In der Gegenwartsliteratur ist dieses Motiv kaum zu finden. Doch Händler sieht eine lange literarische Tradition. Und zählt auf: Balzac (nicht umsonst der Lieblingsschriftsteller von Karl Marx) natürlich mit seinen gesellschaftlichen Panoramen über das hoch-kapitalisierte Paris des 19. Jahrhunderts. Oder Jane Austen: „Jede Figur wird eingeführt über Geld und Vermögen. Und worum ging es natürlich in Thomas Mann Debütroman, wenn nicht um das Zaster? ‚Buddenbrook‘ ist ein reiner Wirtschaftsroman“, sagt Händler. „Diese Tradition ist nach dem Zweiten Weltkrieg völlig abgebrochen.“ Seine Prosa wirft nun wieder ein Licht auf diese abstrakten Zusammenhänge. Dass Literatur neue Erkenntnisse zu Tage fördern kann, formulierte der 67-Jährige vor fünf Jahren in seinem Essay „Versuch über den Roman als Erkenntnisinstrument“. Umso überlegener erscheint ihm die Literatur gegenüber dem Geld, wie der Schriftsteller erklärt: „Bücher sind gutes Investment.“
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