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„Dass nach jedem Tag die Nacht kommt“
Foto: Peter Gurack

Erwachsenen-Pädagogik

25. April 2013

„Dass nach jedem Tag die Nacht kommt“ in Bochum – Theater Ruhr 05/13

Wenn Theaterstücke es darauf anlegen, als „pädagogisch wertvoll“ zu gelten, dann richten sie sich in aller Regel an ein junges Publikum. Der englische Performance-Künstler Tim Etchells hat den Spieß umgedreht. Er stellt die Jungen auf die Bühne und lässt sie den Alten ihre eigenen Merksätze und zweifelhaften Erziehungsmethoden unter die Nase reiben. „Dass nach jedem Tag die Nacht kommt“ heißt sein knapp einstündiges Lehrstück für Eltern und Erwachsene. Regisseurin Romy Schmidt inszenierte es mit 16 Kindern und Jugendlichen zwischen acht und 16 Jahren für das Bochumer Prinz-Regent-Theater.

Nur eine einzige Erwachsene gibt es auf der Bühne: Puppenspielerin Lena Tempich, die als solche im Hasenkostüm allerdings nicht erkennbar ist. Was der Hase, der im Verlauf des Stücks die Kinder zur Disco in sein „Hasenloch“ lockt, uns genau sagen soll, wird nicht ganz klar. Der Choreographie des Bühnengeschehens tut er jedenfalls gut. Drei Monate lang hat Schmidt mit ihrem jungen Ensemble geprobt – und das Ergebnis kann sich absolut sehen lassen. Auch die Jüngsten bringen ihre oft gar nicht so einfachen Texte abwechselnd und im Chor souverän rüber und agieren sogar tanzend mit ansteckendem Elan.

Die Eltern, Großeltern und Erzieher finden sich übrigens auch auf der Bühne repräsentiert – wenig schmeichelhaft als lebensgroße Hampelmänner. Die Hauptbotschaft des Stücks ist relativ simpel: Erwachsene machen sich die Erziehung gerne einfach, indem sie ihren Kindern Allgemeinplätze um die Ohren hauen und Befehle ohne Begründung erteilen. Dabei wäre es so viel besser, sie würden ihren Kindern mehr zuhören und sie ernst nehmen.

Überraschender ist da manches Detail. Goethes Ballade vom „Erlkönig“ etwa erscheint als Beschreibung eines Kindesmissbrauchs. Und der reichlich antiquierte „Struwwelpeter“ als seelische Grausamkeit. Regisseurin Schmidt würzt den Etchells-Text zusätzlich noch mit deutschem und sogar lokalem Kolorit. So wird der „Ärzte“-Songtext von „Junge“ rezitiert, und unter den zahlreichen Ermahnungen der Eltern findet sich auch eine reichlich kuriose: „Ihr warnt uns vor den Gefahren von – Wattenscheid.“

„Dass nach jedem Tag die Nacht kommt“ I 3.5. 20 Uhr I Prinz-Regent-Theater Bochum I 0234 77 11 17

KARSTEN MARK

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