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Stefanie Grebe
Foto: Christoph Sebastian

„Sie hatte ihren eigenen Blick auf die Arbeitswelt“

30. Januar 2025

Fotohistorikerin Stefanie Grebe über die Ausstellung zu Ruth Hallensleben in Essen – Sammlung 02/25

Mit „Bilder im Auftrag. Fotografien von Ruth Hallensleben 1931-1973“ zeigt das Essener Ruhr Museum eine Ausstellung über die deutsche Industriefotografin. Ein Gespräch mit Stefanie Grebe, Leiterin der Fotografischen Sammlung.

trailer: Frau Grebe, die Industrieaufnahmen von Ruth Hallensleben wirken ein wenig mystisch – sie hatte einen besonderen Blick auf die Arbeitswelt, oder?

Stefanie Grebe: Ruth Hallensleben hatte ihren eigenen Blick auf die Arbeitswelt, der mit ihrer Geschichte als Fotografin und ihrer Persönlichkeit verbunden ist. Insofern hatte sie auch einen besonderen Blick, der ihr eigener war und der auch als solcher erkennbar ist. Er zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr präzise inszenieren konnte und oft stark idealisierende Darstellungen gewählt hat.

Sie inszenierte ihre Arrangements penibel, wenn es sein musste – sogar unter Tage?

Ja. Sie hatte auch Aufträge unter Tage. Aber auch in ganz unterschiedlichen Industriezweigen, nicht nur in der Schwerindustrie, sondern auch in vielen mittelständischen Unternehmen, wie z.B. in einer Kofferfabrik. 

Unter Tage zu fotografieren war zu der Zeit sicherlich nicht einfach. Man musste die ganze Ausrüstung da herunter schleppen.

Wie für alle Fotografen war die Unter-Tage-Arbeit eine anstrengende Angelegenheit, wenn man es nicht gewohnt war. Es wird dort sehr heiß und es darf nicht geblitzt werden. Das Besondere war auch, dass sie als Frau unter Tage gewesen war, denn normalerweise hielten sich im Ruhrgebiet keine Frauen unter Tage auf, egal in welcher Funktion. Bergarbeiterinnen gab es in Deutschland nicht. 

Sie hat angeblich immer mit dem Goldenen Schnitt und wenig Fremdbeleuchtung gearbeitet. Zudem soll sie einige Serien erstellt haben. Stimmt das?

Sie benutzte ab und an auch den Goldenen Schnitt, weil man damit Bilder gut gestalten kann, aber nicht immer. Ansonsten sähen ja alle Fotografien gleich aus. Sie platzierte auch Objekte oder Menschen mittig oder/und symmetrisch. Das sind unterschiedliche ästhetische Kompositionsmöglichkeiten, die sie nutzte, um ihre Bilder zu gestalten. In der Regel arbeitete sie immer mit vorhandenem Licht oder mit wenigen Lampen. 1958 erwähnte Hallensleben in einer Fotografiezeitschrift, dass sie nur wenige Lampen habe und damit versuche, bestmögliche Ausleuchtung in großen Hallen zu erreichen. Ruth Hallensleben hat ausschließlich mit 6x6-cm-Mittelformat- und 9x12-cm-Großbildkameras gearbeitet und nutzte Schwarzweiß- und ab den 1950er Jahren dann Farbfilme. Eine Kleinbildkamera benutze sie nie. Sie war immer eine Auftragsfotografin und keine freie Künstlerin. Natürlich hat sie auch Serien angefertigt, um bestimmte Arbeitsgänge deutlich zu machen. Auch ordnete sie manchmal die Leute gestaffelt hintereinander an. Wie auf einer Bühne stellte sie die Leute ordentlich hin. Und es ist auch überliefert, dass sie in lauten Fabrikhallen die Arbeiterinnen und Arbeiter mit Trillerpfeife herumkommandierte, damit diese mitbekamen, wann die Fotografin eine Aufnahme machen wollte. Dann tanzten alle nach ihrer Pfeife. 

Warum hat sie die Porträtfotografie eigentlich aufgegeben?

Sie hat bei Elsbeth Gropp ihre Lehre angefangen und dort u.a. Porträtfotografie gelernt, Porträts hat sie während ihres ganzen Berufslebens angefertigt. Sie hat die Porträtfotografie nie aufgegeben. Es war aber damals so, dass man sich als Lehrling verpflichten musste, nach Beendigung der Lehre sich nicht am gleichen Ort mit derselben Spezialisierung niederzulassen, um nicht als Konkurrenz aufzutreten. Sie hätte also gar nicht in Köln ein Porträtstudio eröffnen können. 

Was ist in der Ausstellung zu sehen?

Die Ausstellung „Bilder im Auftrag. Fotografien von Ruth Hallensleben 1931-1973“ ist nach Auftraggebern und ihren Hauptauftraggebern strukturiert. Ihr ganzes Berufsleben lang haben diese Ruth Hallensleben mit zahlreichen Aufträgen versorgt, die sie sehr gut ausgeführt hat. Wir starten in der Ausstellung mit Porträts, weil das ihr Anfang war und sie Porträts bis zu ihrem Arbeitsende aufgenommen hat. Ein weiterer wichtiger Auftraggeber war der Bavaria-Verlag, eine Bildagentur, über die sie während ihres gesamten Berufslebens Bilder vertrieben und immer wieder auch extra angefertigt hat, in der Hoffnung, dass sie sich gut verkaufen lassen. Dann sieht man als Hauptauftraggeber die Vereinigten Stahlwerke und deren Firmenzeitschrift „Das Werk“, für die sie sehr viel fotografierte. Oder die Bergische Achsenfabrik in Wiehl, für die sie von 1936 bis Anfang der 1970er Jahre gearbeitet hat.

Kunst: Ruth Hallensleben mit Waltraud Kreiensen bei der Arbeit, Ruhrgebiet 1958. © Fotograf:in: unbekannt / Bestand Ruth Hallensleben / Fotoarchiv Ruhr Museum

Behandelt die Ausstellung auch ihre Arbeit während des Nationalsozialismus? Sie soll für den Reichsarbeitsdienst fotografiert haben.

Auf jeden Fall. Es ist in der Rezeption von Ruth Hallenslebens Werk oft so gewesen, dass man das unter den Tisch hat fallen lassen. Das machen wir nicht. Wir zeigen ihre ganze Zeit als aktive Auftragsfotografin. 1934 hat sie sich selbstständig gemacht, ab 1936 hat ihr Betrieb richtig Fahrt aufgenommen, und sie konnte sich als Fotografin etablieren. Sie fotografierte auch für verschiedene Gauleitungen der NSDAP und für Rüstungsbetriebe. Es gibt auch von ihr die Aussage, dass sie während des Krieges unterirdische Rüstungsanlagen fotografiert habe. Das hat sie sicher gemacht, davon ist jedoch nichts überliefert. Die Negative hatte sie vermutlich abliefern müssen. Allerdings gibt es eine Reihe von überlieferten Aufnahmen, die sie in Rüstungsbetrieben gemacht hat. Davon zeigen wir einige. Auf einer dieser Fotografien sieht man „Ostarbeiterinnen“ bei der Arbeit. Diese waren in den von der deutschen Wehrmacht besetzten sowjetischen Gebieten angeworben oder verschleppt worden. Das wird mit kurzen Texten von uns in der Ausstellung kommentiert.

Bilder im Auftrag. Fotografien von Ruth Hallensleben 1931-1973 | 10.2. - 24.8. | Ruhr Museum, Essen | 0201 24 68 14 44

Interview: Peter Ortmann

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