Der Titel der Ausstellung – „Malerei“ – ist Programm. Die Bilder von Fred Thieler (1916-1999) handeln vom Malen selbst, vom Vorgang des Farbauftrags, von der Farbmaterie und dem, was schließlich zu sehen ist. Seine Malerei bildet nichts ab, sie ist gegenstandsfrei. Sie zeigt Farbe in Bewegung und im Innehalten. Tiefere Farbtöne schauen unter feinsten Schichten hervor, so wie mitunter glühend farbige Pinselstriche deutlich vor der stofflich weichen Farbfläche stehen.
Die Ausstellung in der Küppersmühle umfasst das gesamte Werk von den 1940er Jahren bis Ende der 1990er Jahre und sie zeigt, wie vielfältig diese Malerei ist. Da ist anfangs der versierte Realismus mit ausdrucksstarken Porträts und Landschaften, welche sich mehr und mehr in ein expressives Flimmern auflösen, ehe Thieler 1952/53 ganz in die Abstraktion wechselt. Zunächst schieben sich kraftvoll gezogene breite Farbbahnen wie kantige Bretter durch das Bild und erzeugen einen dunklen Raum. Später finden sich Bezüge zum Sakralen, zum einen durch das Bildlicht, zum anderen durch die breiten Geraden, die wie ein Kreuz die Fläche gliedern. Besonders wichtig ist im Werk von Fred Thieler aber der Wechsel vom Malen mit dem Pinsel, hin zum Gießen der Farbe Anfang der 1960er Jahre. Thieler hat die Farbe aus den Töpfen kontrolliert von allen Seiten auf die plan liegende Leinwand gegossen. Dazu entstehen Phasen mit der Bevorzugung bestimmter Farbtöne, insbesondere in Rot und in Blau, die sich flammend wie ein barocker Wolkenhimmel aufladen oder an den Blick in ein reißendes Gewässer erinnern. Mitunter collagiert Thieler transparente Papiere, die sich knautschen und bröselnde Verläufe besitzen.
Der Bezug, unter dem Thielers Bilder zu sehen sind, ist das Informel: der dominierende Stil der zeitgenössischen Kunst vor allem der 1950er und 1960er Jahre. „Informel“ – das bedeutete die Freiheit der Farbe, die Lösung der Form von der realistischen Malerei der äußeren Umwelt. Stattdessen ging es diesen Künstlern um eine Veranschaulichung des Unterbewusstseins. Der Gestus ist überlegt und lässt doch das Zufällige zu. Bei Thieler läuft dies so ab, dass er die Farbe vorsichtig fließen lässt. Sie breitet sich auf der Leinwand aus, vermischt sich mit anderen Partien, trocknet ein. Vor allem bei den größeren Formaten entsteht ein meditatives Atmen, bei dem das Bild als Ausschnitt aus einem größeren Ganzen wirkt – in der Ausstellung in der Küppersmühle gelingt dies gut, indem diese Werke alleine, für sich gehängt sind.
Übrigens kann man zur Kunst des Informel im ersten und zweiten Obergeschoss des Museums Küppersmühle weitere Beispiele finden: Aus der Sammlung Ströher sind dort Werke von den anderen Pionieren in Deutschland zu sehen, von Emil Schumacher, K.O. Götz und Gerhard Hoehme und auch – erneut – von Fred Thieler. Thieler war sozusagen der Berliner Außenposten der informellen Meister. Aber er war auch eine wichtige Persönlichkeit im deutschen Kulturleben. Geboren 1916 in Königsberg studiert er zunächst Medizin; in München ist er im Umfeld der Weißen Rose im Widerstand aktiv und lernt dort den surrealistischen Maler Mac Zimmermann kennen. Ab 1946 studiert er in München Malerei; er ist zunächst Gast, dann Mitglied der Künstlergruppe ZEN 49. Er nimmt an Ausstellungen in halb Europa teil und wird zur Biennale in Venedig und zweimal zur Documenta eingeladen. Von 1959 bis 1981 unterrichtet er als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Er gestaltet Wand- und Deckenmalereien in öffentlichen Gebäuden und sitzt in den wichtigen Kommissionen in Deutschland. Für Thieler gehört Kunst zum Leben. Auch wenn seine Malerei heute mehr geschichtlich zu verstehen ist, so bleibt ihre existenzielle Intensität doch spürbar. Und dass diese Malerei berühren kann und dass man sich in sie vertiefen kann, das vermittelt die Ausstellung in der Küppersmühle ziemlich gut.
„Fred Thieler – Malerei“ | bis 2.2.2014 | Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg | www.museum-kueppersmuehle.de
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