Eberhard Havekost überlässt nichts dem Zufall. Nicht den Katalog, nicht die Präsentation der Bilder, schon gar nicht diese selbst. Sie sind hochkonzentrierte, auf den Punkt gebrachte Schilderungen von … ja von was? Im Museum Küppersmühle in Duisburg sind derzeit völlig unterschiedlich anmutende Malereien dieses hoch angesehenen Malers ausgestellt, die einmal gegenständlich zu lesen sind, dann wie ein entrücktes Detail von etwas Bekanntem wirken und dann wieder weich verlaufende Farben als Lichtraum zeigen. Landschaftliches findet sich ebenso wie Körperhaftes, expressive Farbhiebe sind ebenso wie sorgsame Farbraster zu sehen. Deutlich wird indes, dass jedes dieser Bilder dinglich, genau und verbindlich ist, und dass Havekost sie stets auf einen bestimmten Punkt hin gearbeitet hat. Aber die Definition dessen, was da auf der Leinwand zu sehen ist oder sich dort abzeichnet, liegt ganz in der Wahrnehmung und Vorstellung des Betrachters ...
Eberhard Havekost ist Maler und sein „Material“ ist das, was ihm im Alltag begegnet. Nichts scheint ausgeschlossen. Jedoch wendet er sich den Seherlebnissen schon vermittelt, als Fotografien, zu und bearbeitet, verändert sie am Computer. Er isoliert sie und nimmt weitere Ausschnitte, rückt näher heran, beobachtet, wie sich die Farben im digitalen Bild wandeln, und manipuliert sie weiter: Erst diese Ergebnisse dienen als Vorlage für die Malerei selbst, die ganz klassisch mit Ölfarbe auf Leinwand stattfindet. Havekost liegt daran, die Dinge unserer Welt frei von ihrer Abbildfunktion und ihrem Symbolgehalt zu dokumentieren. Dabei initiiert jeder Gegenstand eine eigene Transformation als Bild, das beginnt mit dem Format und setzt sich im Gestus und in der Farbigkeit fort. Diese Malerei kennzeichnet zunächst, dass sie keine durchgängige Handschrift trägt, sondern viele Stile zulässt. Dass sie mitunter anonym und wie unter einer glatten Schicht auftritt, aber einzigartig, einmalig, kostbar wirkt – selbst wenn lapidare Farbtafeln oder ein Steinfeld vor einem schwarzen Grund zu sehen sind. Übrigens entstehen nur wenige Einzelbilder, das meiste ist in Serien und Ensembles eingebettet, die aber auch untereinander ziemlich disparat auftreten können.
Im Grunde ist seine Methode die Vermeidung einer Methode. Stattdessen: eine Haltung mit einigen Prämissen und einer große Neugierde. Eberhard Havekost gehört zu den Malern, welche unsere heutige Wirklichkeit kritisch abklopfen, sich der neuen Medien bewusst sind und mit diesen arbeiten und doch immer nach der Notwendigkeit der Malerei in der Gegenwart forschen und sich fragen, wie diese nun aussehen muss. Havekost wurde 1967 in Dresden geboren; er hat an der dortigen Kunstakademie bei Ralf Kerbach studiert. Seit 2010 unterrichtet er selbst als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Vor diesem Hintergrund wird nun in der Küppersmühle seine aktuelle Malerei innerhalb der losen Reihe „Akademos“ gezeigt, welche die Professoren der Düsseldorfer Akademie vorstellt. Seine eigene Ausstellung heißt „Titel“, und schon das teilt etwas von der Mehrdeutigkeit und vom Reflexionsgrad seiner Malerei mit: Gemeint sind der Name der Ausstellung und die Bezeichnung des Berufes, den Eberhard Havekost – so steht es im Katalog – als bewusste Verantwortung gegenüber der Lehre versteht.
Ausgesprochen viele Bilder der Ausstellung stammen aus den Jahren 2012 und 2013. Mit der Menge an Malereien bewahrt sich Havekost eine gewisse Objektivität und Emotionslosigkeit. Längst international etabliert, verwirklicht er eine Malerei, die unsere vertraute Welt fragmentiert, auf Abstand rückt, aber doch nie ganz von ihr lässt: Mit kurz zuvor geschlossenen Augen oder rein in der Erinnerung sind die einstmals bekannten Dinge blitzartiger Reflex und Ahnung und erstaunlich resistentes Detail. Das aber kann wunderschön sein. Man muss sich einsehen.
„Eberhard Havekost – Titel“ I bis 20.10. I Museum Küppersmühle, Duisburg I www.museum-kueppersmuehle.de
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