Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
17 18 19 20 21 22 23
24 25 26 27 28 29 30

12.595 Beiträge zu
3.821 Filmen im Forum

Per Kirkeby, Ohne Titel, 2012, Tempera auf Leinwand, 200 x 300 cm (Ausschnitt)
© Per Kirkeby, courtesy Galerie Michael Werner, Märkisch Wilmersdorf, Köln und New York

Farben der Natur

23. Februar 2012

In der Küppersmühle in Duisburg ist das Werk von Per Kirkeby zu sehen - Ruhrkunst 03/12

Mit Per Kirkeby ist es ganz einfach und auch ganz schwer. Er ist der berühmte Maler abstrakter Gemälde, die sich aus farbigen Partien zusammensetzen, und der bedeutende Bildhauer, der kleine Bronzeplastiken geschaffen und Backstein-Architekturen im öffentlichen Raum errichtet hat, und er ist noch einiges mehr. Alles was sich zunächst feststellen lässt, wird mit jedem weiteren Arbeitsfeld vielschichtiger und hintergründiger. Die Kategorien abstrakt – konkret, expressiv – gezügelt, summarisch – analytisch fallen dabei zusammen. Ausgehend von Naturerfahrungen, die Kirkeby in seiner Kunst transzendiert, öffnet sich ein Kosmos an Themen und Erkenntnissen.

Das Museum Küppersmühle, in dessen Sammlung Kirkeby vertreten ist, hat jetzt eine Werkschau zusammengestellt, welche die verschiedenen Sparten bedenkt und noch eine Übersicht über die Entwicklung seiner Malerei zeigt. Obzwar Per Kirkeby von Anfang an auch Zeichnungen, Grafiken und Filme veröffentlicht hat, wurde er doch vor allem mit seinen Gemälden bekannt. Diese entstehen seit Mitte der 1960er Jahre. Anfangs verwebt er realistische Motive mit dem farbigen Bildgrund. Schon bald werden seine Malereien abstrakter, zugleich großzügiger in ihrer Anlage, und wahrscheinlich hat dies mit Kirkebys Entdeckung der Landschaft zu tun, die in den Bildern als Nahsicht begriffen ist. Meist verwendet Kirkeby helle, leuchtende Buntfarben in kontrolliert unruhigem Gestus, wechselnd zwischen dicht gestrichelten Partien und der Wiederholung bestimmter Formen und mit großen Flächen, welche zerklüftet und ineinander verankert sind. Zugleich wirkt das Bild als Ausschnitt, so dass das Gefühl für die möglichen Dimensionen verloren geht. Kantige Striche sind auf einzelne Flächen gesetzt oder in sie geritzt. Andere Bilder verfügen über Zeichnungen im Vordergrund, die sich kantig in die Tiefe schieben. Erst recht da wird der Bezug zur Natur deutlich, zu Baumstämmen oder Gestein. Dann wieder lassen einzelne Partien augenblicklich an Moränen oder an Moos denken – mit solchen Malereien hat sich Per Kirkeby international etabliert. Daneben entstehen Bilder, die stärker zum Gegenständlichen tendieren, dies betrifft nun auch einige der neuen Werke. Gemalt in Italien beziehen sie sich auf die italienische Renaissance und deren Motive. Der Eindruck des Fresko kennzeichnet sowieso Kirkebys Bilder, die, teils wie Aquarelle, untere Ebenen durchscheinen lassen und dabei so besonnen organisiert sind.

Für das Verständnis seiner Bilder hat Per Kirkeby auf seine Biographie hingewiesen. Er wurde 1938 in Kopenhagen geboren, dort hat er zunächst Naturwissenschaften studiert. 1958 nimmt er erstmals an einer Expedition nach Grönland teil, später wird er noch weitere Expeditionen begleiten. Seine Dissertation 1964 untersucht die arktische Geologie der Quartärperiode, parallel dazu ist er bereits als Künstler tätig. Ein Bezugspunkt ist die Fluxus-Bewegung mit Joseph Beuys und Nam June Paik, mit denen er 1966 und 1967 Performances durchführt. Er schreibt Gedichte und wendet sich den verschiedenen künstlerischen Gattungen zu. Seit den späten 1970er Jahren ist er auch in Deutschland bekannt, wo er bis heute Erfolge feiert, zur documenta eingeladen wird und in den großen Museen ausstellt. Von 1978 bis 2000 lehrt er als Professor an den Kunstakademien in Karlsruhe und Frankfurt. Seit 1979 aber befindet sich sein Atelier auf der Insel Læsø im Kattegat.

Entdeckung der Landschaft
Und dann sind da die Plastiken. Wie es Johannes Gachnang mal beschrieben hat, hatte Per Kirkeby schon Mitte der 1960er mit dem Backstein experimentiert: dem gebrannten Ziegel der heimischen Produktion, der genormt ist und die weitere Bauweise vorgibt. Gachnang vertritt auch die These, Kirkeby denke bei seinen Skulpturen wie ein Bildhauer. Aber ist es nicht umgekehrt? Und ist der Ausgangspunkt all seiner Kunst nicht die Erde mit ihren Gesteinsschichten und ihren Ablagerungen, die weit vor der Menschheitsgeschichte einsetzen?

Schon die kleinen schwarzen Bronzen, die nur vordergründig an Plastiken von Rodin und Matisse erinnern und tatsächlich ungezügelter als diese sind, bestehen aus unruhigen Hebungen und Senken und bringen eine organische Struktur und physische Erfahrung zum Ausdruck. Zugleich verfügen sie über tektonische Partien, die wie ein Gerüst das Geschehen zusammenhalten.

1973 hat Kirkeby seine erste Backsteinskulptur in Form eines kleinen Hauses in Jütland gebaut. Seither sind etliche dieser gemauerten, dabei eleganten Konstruktionen auf der ganzen Welt entstanden. In unserer Umgebung befinden sich eine bei der Raketenstation in Neuss und eine auf dem Platz am Lohtor in Recklinghausen. Sie sind beides: begehbare Skulptur und skulpturale Architektur. Und man sollte sie auch von ihrer Kleinform, dem Backstein her betrachten und über dessen Textur und Robustheit als Merkmale der Natur staunen – und wahrscheinlich geht es in der Kunst von Kirkeby ohnehin um die kleinste Einheit, aus der sich dann eine Monumentalität gewinnen lässt, die wiederum vieles überdauert. Kirkeby empfindet mit den Fingerspitzen und natürlich mit einer gehörigen Erfahrung als Künstler, der im Norden Europas die Landschaft und die Natur mit den Augen abtastet.

„Per Kirkeby: Maler – Forscher – Bildhauer – Poet“ I 16. März bis 28. Mai I Museum Küppersmühle in Duisburg I www.museum-kueppersmuehle.de

THOMAS HIRSCH

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Schneewittchen

Lesen Sie dazu auch:

Facetten einer Legende
Siegfried Anzinger im Museum Küppersmühle in Duisburg – kunst & gut 02/25

Mit wenig Farbe
Siegfried Anzinger im Duisburger Museum Küppersmühle

Das Leben von Innen
Martin Assig mit einem Werküberblick in der Küppersmühle – kunst & gut 02/23

Kopisten unter sich
Sigmar Polke mit einem Hauptzyklus im Museum Küppersmühle

Verlängerung in der Küppersmühle
Andreas Gursky mit einer Retrospektive in Duisburg

Energisch gegen die Fläche
Emil Schumacher im Museum Küppersmühle in Duisburg – Kunstwandel 01/19

Nicht genau
Für Kounellis in Duisburg – Ruhrkunst 09/18

Unentwegt Landschaft
Bernd Koberling in Duisburg – Ruhrkunst 01/18

Mit und ohne Farben
Heinz Mack in der Küppersmühle Duisburg – kunst & gut 01/16

Zeugen ihrer Zeit
Fotografien in der Küppersmühle Duisburg – RuhrKunst 11/14

Ein Pionier der Abstraktion in Deutschland
Eine Werkschau zu Willi Baumeister in der Küppersmühle Duisburg – kunst & gut 09/14

Farbe im Fluss
Eine Werkschau mit Fred Thieler im Museum Küppersmühle in Duisburg – kunst & gut 12/13

RuhrKunst.

HINWEIS