A Pure Place
Deutschland 2021, Laufzeit: 91 Min., FSK 12
Regie: Nikias Chryssos
Darsteller: Sam Louwyck, Greta Bohacek, Claude Heinrich
Stilistisch ausgeklügelte Parabel
Den Schmutz besiegen
„A Pure Place” von Nikias Chryssos
Schon gleich in den ersten Einstellungen von Nikias Chryssos‘ („Der Bunker“) neuem Film „A Pure Place“ wird das Publikum mit Gegensätzen konfrontiert. Wir sehen eine obdachlose Familie irgendwo an einem von Müll überfluteten Strand, und in unmittelbarer Nähe beobachtet die Szenerie ein ganz in Weiß gekleideter älterer Mann, eine Art Lichtgestalt. Als solche wird Fust (Sam Louwyck) dann auch im weiteren Verlauf stilisiert, wenn man ihn und seinen Kult näher kennenlernt. Auf einer abgeschiedenen Insel wird er als Heiland verehrt, der seinen treuen Untergebenen die Reinheit gebracht hat, denn mit der Fust-Seife können sie den Dreck dieser Welt von sich abwaschen. Dafür sorgen die Menschen „von unten“, in der Regel Kinder, die, vom Zwerg Albrich (Daniel Fripan) geleitet, die Seifenproduktion aufrechterhalten. Zu Ehren von Fust finden Theateraufführungen statt, in denen der junge Adonis Siegfried (Daniel Sträßer) den Sektenführer als jungen Mann verkörpert und damit dessen Unfehlbarkeit zementiert. Als neue Bühnenpartnerin für Siegfried ist Fusts Wahl nun auf die junge Irina (Greta Bohacek) gefallen, die dafür aufsteigen darf, ihren jüngeren Bruder aber in der Unterwelt zurücklassen muss. Es dauert nicht lange, bis dadurch Unruhe in die vermeintlich reine Welt von Fusts Enklave Einzug hält.
Chryssos‘ Film ist eines der seltenen Beispiele eines deutschen Genrefilms, was es nach wie vor zu goutieren gilt. Inhaltlich und auch ein Stückweit thematisch erinnert „A Pure Place“ an den 2019 uraufgeführten „Paradise Hills“ von Alice Waddington, in dem sich ebenfalls eine blütenreine, paradiesisch anmutende Welt im Nachhinein als Alptraum in Weiß entpuppte. Auch in Chryssos‘ Film merkt man schon sehr schnell, dass hinter der Fassade die Abgründe lauern. Genau wie „Paradise Hills“ ist auch sein Film stilistisch sehr überzeugend ausgefallen, da das Konzept der beiden gegensätzlichen Welten bis in die Details ansprechend visualisiert wurde. Gleichwohl dürfte es den meisten Zuschauern schwerfallen, eine Botschaft aus der dahinterstehenden Geschichte zu ziehen. Dass diese beabsichtigt ist, erkennt man durch die zahlreichen Referenzen und Querverweise, sei es an die „Nibelungen“-Sage, die griechische Mythologie oder die antiken Theaterklassiker. Beide Welten sind darüber hinaus auch sexuell aufgeladen, was die Schlusseinstellung des Films umso merkwürdiger erscheinen lässt. Die Inszenierung ist mitunter reichlich pathetisch, was das Ergebnis ebenfalls schmälert. Dennoch ein insgesamt interessanter und zumindest konzeptionell gelungener Versuch, in übersteigerter Form auf gesellschaftliche Klüfte aufmerksam zu machen und die Bereitschaft, charismatischen Führerfiguren bedingungslos zu folgen, in Frage zu stellen.
München 2021: Förderpreis neues deutsches Kino (Regie)
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Ruhrgebietsfilmgeschichte erleben
„Glückauf – Film ab!“ im Essener Ruhr Museum
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Lichtspiele mit Charme
Eröffnung der Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ im Ruhr-Museum – Foyer 07/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24