Blue Velvet
USA 1985, Laufzeit: 120 Min., FSK 18
Regie: David Lynch
Darsteller: Kyle MacLachlan, Isabella Rossellini, Dennis Hopper, Laura Dern, Dean Stockwell
Malerisch-verstörender Psycho-Thriller
Idyllische Gewalt
In den 80ern hatte David Lynch seinen Durchbruch als Filmemacher und auch schon durch seinen kultigen Erstling „Eraserhead“ ein Grundvokabular für das, was man später auf das Adjektiv „lynchesk“ herunterbrach. Doch nach dem Trip ins schwarzweiße London („The Elephant Man“) und die traumatische Exkursion ins All („Dune“) fokussierte sich Lynch mit „Blue Velvet“ bereits auf den amerikanischen Alptraum, der auch seine weiteren Filme zum Großteil prägte. „Blue Velvet“ nimmt uns noch vor „Twin Peaks“ mit in die Provinz, ins Städtchen Lumberton. Dort, zwischen blitzend-weiß gestrichenen Gartenzäunen, unwirklich übersaturierten Rosensträuchern und dem netten, winkenden Feuerwehrmann von nebenan ist auch Student Jeffrey (Kyle Mc Lachlan) auf Heimaturlaub. Als er seinen Vater im Krankenhaus besucht, findet er zufällig auf einer Wiese ein abgeschnittenes Ohr, das schockierende Indiz eines Gewaltverbrechens. Jeffrey ist gepackt von einem Kriminalfall, eine Obsession, der sich auch Sandy (Laura Dern), die hübsche Tochter des Polizeichefs anschließt und die sie auf die Fährte der Nachtclubsängerin Dorothy Valance (Isabella Rosselini) bringt. Deren Sohn und Ehemann sind in der Gewalt des Psychopathen Frank (Dennis Hopper), dessen Satzbau bestechend oft vom F-Wort dominiert wird. Ihn und Dorothy verbindet eine krankhafte, sadomasochistische Beziehung, die Jeffrey in einem Wandschrank mit verfolgen kann. Aus dem Detektivspielchen wird schließlich Ernst – und Jeffrey wird in die bizarre, kriminelle Subkultur Lumbertons hineingezogen, in steter Spannung zwischen der verführerischen Dorothy, der personifizierten Unschuld Sandy und dem Pulverfass Frank.
Mit diesem hat Dennis Hopper wohl auch eine seiner besten schauspielerischen Leistungen abgeliefert und sich in die AFI-Liste der besten Bösewichte der Filmgeschichte eingeschrieben. Manchmal ist das schwerlich motivierte, unbegreifbare Böse der beste Antagonist. Wie Motten eine Laterne umschwirren auch Frank Booth kleine Gangster, feminin wirkende Pimp-Daddys samt fülligen Prostituierten (?) und korrupte Cops. Eine Aura des Wahnsinns liegt auf ihm, die durch das Inhalieren eines halluzinogenen Gases noch verstärkt wird. Sowohl Kyle McLachlan als auch Laura Dern haben sich mit „Blue Velvert“ zudem in Lynchs Ensemble verankert, was in „Twin Peaks“ bzw. „Wild at Heart“ und „Inland Empire“ zu komplexeren Rollen geführt hat. „Blue Velvet“ erzählt im Grunde eine recht simple Geschichte mit Film-Noire Anleihen, tut das aber im Lynch-Modus, der hier noch keiner verschwurbelten Narration (z.B. „Lost Highway“) bedarf, um zu verstören. Lynch schafft mit seiner visuellen Handschrift Szenen, die in ihrer Stimmung zwischen Kunstwerken der Maler Edward Hopper und René Magritte liegen.
Akustisch hingegen war es Lynchs erste Zusammenarbeit mit Angelo Badalamenti, der von da an den Großteil der stimmungsvollen, von Synthie-Klängen dominierten Soundtracks schuf. Doch nicht nur das: Jahre bevor ein Tarantino in „Reservoir Dogs“ Pop Songs wie „Stuck in the middle with you“ kontextbedingt einen bedrohlichen Klang verlieh, wird hier Roy Orbisons „In Dreams“ durch Frank Booth zu einer drohenden Beschwörungsformel zweckentfremdet. Dieser beißende Kontrast von grotesker Gewalt und zuckersüßer Idylle macht den Reiz von „Blue Velvet“ aus. Wer zwischen den Zeilen liest, und keinen gewöhnlichen Thriller erwartet, den lässt David Lynch hier auf grandiose Weise in Amerikas dunkle Untiefen eintauchen, die sich irgendwo zwischen dem „blauen Samt“ verbergen.
(Daniel Brüning )
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