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Brügge sehen ... und sterben?

Brügge sehen ... und sterben?
Großbritannien 2008, Laufzeit: 107 Min., FSK 16
Regie: Martin McDonagh
Darsteller: Colin Farrell, Ralph Fiennes, Brendan Gleeson, Clémence Poésy, Thekla Reuten, Jérémie Renier, Mark Donovan

Schwarzhumoriger Trip nach Brügge

Fucking Brügge
"Brügge sehen... und sterben?"
von Martin McDonagh

Quentin Tarantino hat sie endgültig salonfähig gemacht: Auftragskiller. Lange bevor Javier Bardem in diesem Jahr für die Darstellung eines eigenwilligen Killers den Oscar erhielt, haben sich 1994 Vinzent Vega und Jules Winnfield fluchend und tötend durch „Pulp Fiction“ gekillt. Und das mit einer Selbstverständlichkeit, bei der die blutige Tat zur Nebensache verkommt. Denn vor allem waren sie cool. Cooler Smalltalk, coole Flüche, cooles Töten schubsten moralische Bedenken beiseite, ja, ersetzten sie. Jules und Vinzent sind Eiskalte Engel im wörtlichen Sinne. Denn so schuldig sie sich mit dem Morden machten, so unschuldig und schlicht ist das moralische Gerüst, das sich Protagonisten wie diese überstreifen, um ihren Lebenswandel und ihre Taten zu rechtfertigen. Männer ohne Gewissen, nur sich selbst verpflichtet, verantwortungslose Kindsköpfe auf Abenteuerfahrt. Das Kino nahm sich in den letzten 15 Jahren diesen Vorbildern dankbar an. Zuletzt durfte Pierce Brosnan ran, der in „Mord und Margaritas“ selbstironisch den Proll-Killer gab. Figuren, denen der Zuschauer ihre Taten vergibt, deren etwaiges Dahinscheiden aber zugleich wenig Mitgefühl hinterlässt: Wenn Moral und Mitgefühl bei ihrem Morden fehlen, fehlen sie auch bei ihrem Tod. Das heißt, selbst wenn solche Engel sterben, wird der Film nicht zum Melodram - er bleibt eine Komödie.

Rüpel mit Herz…

In Martin McDonaghs großartigem Spielfilm-Debüt verschlägt es nun zwei Auftragskiller ins malerische belgische Brügge. Der erfahrene Ken (Brendan Gleeson) und sein junger Schützling Ray (Colin Farrell) sollen sich dort für eine Weile ruhig und unauffällig verhalten, bis ihr Auftraggeber Harry (Ralph Fiennes) ihnen neue „Projekte“ vorlegt. Das Problem: Ray ist ein kindsköpfiger Ire, der das gotische Mittelalterstädtchen und amerikanische Touristen äußerst öde findet und Zerstreuung in alle Richtung und mit allen Mitteln sucht. Außerdem plagen den launischen Jungspund aufgrund eines zurückliegenden Berufsunfalls Gewissensbisse. Rays eigentliches Problem aber ist Ken, den Harry auf ihn ansetzt.

Martin McDonagh hatte 2006 einen Oscar für seinen Kurzfilm „Six Shooter“ gewonnen, jetzt stellt er seine Qualitäten als Regisseur und Autor auch für den Langfilm unter Beweis: Die Wurzeln des in London geborenen Iren fließen deutlich in die kauzigen Charaktere, die sich in einem bezaubernd schwarzhumorigen Rahmen bewegen. Neben Brendan Gleeson und Ralph Fiennes, die ihre Gentleman-Figuren souverän väterlich bzw. psychopathisch füllen, beeindruckt hier vor allem der Ire Colin Farrell, der überzeugend den Rüpel mit Herz gibt. Der wunderbar fluchende Ire steht ihm nach seinem bedauerlichen Abdriften gen Hochglanz-Action („S.W.A.T.“, „Miami Vice“) eindeutig besser zu Gesicht.

… in Hieronymus Bosch Country

„Brügge sehen… und sterben?“ ist ein kleiner sympathischer Film mit Seele, dem das Tempo dank kluger Pointen über 107 Minuten nicht ausgeht. Jenseits aller Plattitüden zitiert McDonagh das Genre und siedelt seine blutige Geschichte in einer unschuldigen, weltentrückten Kulisse an, die sich wohltemperiert über die Geschichte legt und durch das surreale Schaffen von Hieronymus Bosch assoziativ ergänzt wird. Der Regisseur aalt sich genüsslich in Gegensätzen und Konfrontationen und scheucht seine verlorenen Seelen durch ein gotisch gefärbtes Universum voll Tod und Liebe, koksenden Zwergen, toughen schwangeren Gastwirtinnen, heiligem Blut und Jüngstem Gericht. Das Besondere an dieser Killerkomödie bleibt, dass McDonagh das Genre um die poetische Note bereichert, ohne der Kurzweil dabei Abbruch zu tun. Tarantinos cooler Men-Talk findet sich hier ebenso wieder wie derb verfängliche Situationen im Milieu. McDonaghs Figuren aber scheitern weniger an der Kugel anderer Gewissenloser als am eigenen Gewissen. Eine Läuterung, gebettet in ein magisches kulturelles Umfeld, in dem sich das Seelenleben seiner zwei Helden ebenso öffnet wie ihre Verwundbarkeit. Aber keine Angst: „Brügge sehen… und sterben?“ bleibt eine grandiose Komödie, die einen in jedem Fall mit einem breiten Grinsen entlässt.

(Hartmut Ernst)

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