Crazy Heart
USA 2009, Laufzeit: 110 Min., FSK 6
Regie: Scott Cooper
Darsteller: Jeff Bridges, Maggie Gyllenhaal, Robert Duvall, Ryan Bingham, Beth Grant, David Manzanares, Colin Farrell, William Sterchi, Tom Bower, Ryil Adamson, Jack Nation, Brian Gleason
Unter der Regie des Newcomers Scott Cooper brilliert Jeff Bridges als abgebrannter Countrystar.
Es sind vor allem zwei Beiträge US-amerikanischer Kultur, die dem Europäer mitunter befremdlich aufstoßen: Da ist einmal Wrestling, ein inszenierter Ringkampf, in dem sich Muskelpakete in fragwürdigen Verkleidungen brachial verprügeln. Und da ist die texanische Country-Kultur, in der Cowboys mit der Gitarre unterm Arm geerdete Lieder aus dem Leben singen und damit ganze Stadien füllen. Auch wenn es Johnny Cash und Garth Brooks bis in deutsche CD-Regale geschafft haben sollten – hierzulande gibt man nicht viel auf die Slide-Guitar, und „Truck Stop“ war einmal und nie wieder. Wenn sich aber Filmemacher solchen Künstlern und Kerlen widmen, vermögen sie hierzulande durchaus die Kinogänger und spätestens seit letztem Jahr auch das Arthouse-Publikum zu begeistern. Da lief nämlich Darren Aronofskys „The Wrestler“, für den Mickey Rourke als abgehalfterter Fighter namens Randy in den Ring stieg, der ihm jahrelang Ruhm und ein Auskommen bescherte, von dem sich der selbstzerstörerische Loner mit Anabolika, Frauen und Drogen versorgte. Bis er zu alt war, und Körper und Seele ruiniert.
BETRUNKEN DURCH SPELUNKEN
Ein vergleichbares Schicksal ereilt in „Crazy Heart“ den Countrysänger Bad (Jeff Bridges): Der war mal ganz oben in der Szene. Jetzt, mit 57, spielt er sich nur noch betrunken durch Spelunken, in denen ihm grauhaarige Cowboys zuhören und Groupies, die mit ihm gealtert sind. Doch Bad hat sich arrangiert: Der Flachmann hilft ihm durch sein trostloses Single-Dasein und macht Erinnerungen und Verantwortung vergessen – Bad hat einen 28jährigen Sohn, den er seit Ewigkeiten nicht gesehen hat. Erst die Begegnung mit der Journalistin Jean (Maggie Gyllenhaal) holt ihn ins Leben zurück, dem er sich plötzlich stellen muss, weil die Sehnsucht nach Zweisamkeit und Liebe geweckt wird. Außerdem stellt ihm sein Manager in Aussicht, auf einem Großkonzert die Vorband zu seinem ehemaligen Protegé Tommy Sweet (Colin Farrell) zu geben. Unentschlossen und alkoholgetrübt muss sich Bad entscheiden, inwiefern ihm wachsender Erfolg und eine Beziehung Opfer wert sind.
Oberflächlich betrachtet tun sich bei „Crazy Heart“ allerlei Parallelen zum „Wrestler“ auf: der verpasste Absprung, Drogen, unverbindliche Milieubekanntschaften, vergessene Kinder, Freunde, die Impulse setzen, aber nicht das verkorkste Leben retten können, und die Chance auf eine Zukunft, die aber auch das Ende des eingefahrenen Lebens nach unten bedeutet. Der gleiche Ansatz also, doch „Crazy Heart“ findet eine Entwicklung, die andere Wege einschlägt und deshalb auch diese Loser-Perle so sehenswert macht. Regie-Debütant Scott Cooper setzt Aronofskys Melodram ein eigenständiges, alternatives Ende entgegen, das aber deshalb nicht zwingend ein Happy End ist. Cooper bleibt glaubwürdig und findet Kompromisse, die das Leben schreibt – und nicht Hollywood.
VON GRUND AUF TRAGISCH
Jeff Bridges hat 1998 in „The Big Lebowsky“ den Dude gespielt. Einen schluffigen Loser, der nicht unterging, weil er vom Coenschen Drehbuchglück getragen wurde. Mit einer vergleichbaren stoischen Gelassenheit verkörpert Bridges hier auch Bad. Diese mitunter sehr sympathische Haltung entspringt allerdings weniger einem lebensphilosophischen als einem alkoholbedingten Unterbau. Bad ist der Dude, wenn er wie selbstverständlich mit offener Hose herumläuft oder sich kauzig unbeholfen mit dem Mund drei Kippen aus der Packung zieht. Aber Bad zieht auch mal die Sonnenbrille aus dem Mülleimer, in den er sich zuvor übergeben hat. Oder er verliert im Delirium bittere Tränen. Dieser Bad ist von Grund auf tragisch. Und so könnte man den Dude im Nachhinein als Parodie von Bad betrachten. In „Crazy Heart“ schafft Bridges den Spagat zwischen Schluffi und alkoholisiertem Ekel meisterlich. Und seine Gesangseinlagen, die sich durch den Film ziehen und mit denen Bridges in der heruntergekommen Bar ebenso brilliert wie auf der großen Bühne, bilden die atmosphärischen Höhepunkte dieses Dramas.
Er ist ein klassischer Typus, dieser alte Mann, der alles hatte, Erfolg und Familie, und jetzt nichts mehr hat. Verbraucht, der Körper geschunden. Der dem Arzt ebenso aus dem Weg geht wie der Verantwortung. Dessen kurzsichtiges, drogenbetäubtes Ego groß genug ist für ein Leben, das sich in den Ruinen des einstigen Erfolgs verlaufen hat. Ein Familienvater, der im Rausch bereuen und Besserung versprechen, dem aber am nächsten Tag ein kleiner Impuls genügt, um von der gelobten Abkehr loszulassen. Männer wie Randy oder Bad, die, den Abgrund vor Augen, resignieren – oder das Leben doch noch neu entdecken. Bad singt von solchen Männern, denn er singt über sich selbst. „Crazy Heart“ erzählt von Männern wie ihm. Ganz nebenbei erzählt dieses Drama auch mehr über das Schreiben von Liedern als so manches Musiker-Biopic der letzten Jahre.
(Hartmut Ernst)
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