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Das weiße Rauschen

Das weiße Rauschen
D 2001, Laufzeit: 107 Min., FSK 12
Regie: Hans Weingartner, Toby Amann
Darsteller: Daniel Brühl, Anabelle Lachatte, Patrick Joswig, Katharina Schüttler, Michael Schütz, Michael Lentz, Karl Danguillier, Ilse Strambowski, Ralf Wolf

Im Kino erscheint die Figur des psychisch Kranken meistens als (künstlerisch) hochbegabte Person, oder als irrer Psychokiller, der die Befehle seiner toten Mutter hört. In Hans Weingartners Spielfilmdebut, dass zugleich seine Abschlussarbeit für die Kunsthochschule der Medien in Köln ist, hört der Protagonist ebenfalls Stimmen. Doch Lukas (eindringlich gespielt von Daniel Brühl) ist weder Genie noch Massenmörder. Er ist ein ganz gewöhnlicher junger Mann, bei dem nach dem Umzug in die Großstadt eine vererbte Schizophrenie ausbricht. Weingartner schildert den Beginn der Krankheit und die damit verbundenen Irritationen bei den Betroffenen, die dann folgende Diagnose und die sich trotzdem fortsetzende Hilflosigkeit im Umgang mit der Krankheit in einer an die Dogma-Filme angelehnten Ästhetik. Der Film wurde zum größten Teil in der Wohnung des Regisseurs mit drei DV-Kameras, ohne künstliches Licht oder aufwändige Tontechnik gedreht. Dadurch erhält der Film eine beängstigende Direktheit, die dem Zuschauer vor allem während Lukas¹ psychotischer Schübe nahe geht. Die Stimmen, die er in wildem Durcheinander hört (und die auch der Zuschauer zu hören bekommt), treiben ihn in (auto-)aggressive, paranoide Handlungen, durch die er für seine Umwelt mehr und mehr zur Zumutung wird. Ein Aufenthalt in der Psychiatrie lässt ihn zwar wieder zu einem unauffälligen Mitglied der Gesellschaft werden, betäubt aber auch seine sämtlichen Lebensgeister. Die Suche nach einem würdevollen Leben mit seiner Krankheit liegt erst noch vor ihm. Weingartner umgeht alle filmischen Klischees seines Themas und orientiert sich eher an seinen erklärten Vorbildern John Cassavetes und Lars von Trier. Beide haben bezeichnenderweise Filme über ähnliche Themen gemacht (Cassavetes "A Child Is Waiting", v. Trier "Idioten"), und beide haben ästhetische Schlichtheit und Realismus einer Darstellung der Psychose mit filmischer Tricktechnik vorgezogen. Weingartner tut gut daran, sich an ihnen zu orientieren. Durch die dokumentarischen Qualitäten des sehr gut recherchierten Films entgeht Das Weisse Rauschen dem Schicksal, bloß ein dramatisches Spektakel eines Einzelschicksals zu inszenieren. Stattdessen erhält der Zuschauer exemplarisch Einsicht in eine beängstigende Krankheit, die alle Beteiligten an die Grenze ihrer Kräfte führt.

(Christian Meyer)

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