Der Fluch der goldenen Blume
China 2006, Laufzeit: 114 Min.
Regie: Zhang Yimou
Darsteller: Gong Li, Chow Yun-Fat, Jay Chou, Liu Ye, Chen Jin, Ni Dahong, Li Man, Qin Junjie
Zu Typewriter
Biggi (153), 07.08.2008
Weniger ist mehr, kann ich nur zu dem Beitrag sagen. Wer liest sich denn diese Menge an Belehrung durch? Ich will wissen, ob der Film sehenswert ist und keine Abhandlung von Begriffen lesen. Fasst euch kurz!
Verteidigung kommt oft zu spät
Typewriter (7), 06.08.2008
Ich muss hier wirklich noch, nachträglich, eine Lanze brechen. Ich frage mich immer wieder, was manche Zuschauer erwarten, woran sie einen Film messen und ob wirklich verstanden wird, was im hier so wichtigen Hintergrund verborgen liegt. Wer Zhang Yimou wirklich kennt, redet nicht von kulturellen Unterschieden, redet nicht von Patriarchat, redet nicht von schwerer Kost und redet schon gar nicht von mangelnder Dramatik. Und nebenbei: Dramaturgie ist nicht Dramatik. Dramaturgie ist eine theoretische Disziplin, die in der Theaterwissenschaft die Komposition aller betrieblichen Vorgänge erklärt. Der Begriff wird hier oft genug falsch benutzt. Und wenn er doch mal richtig interpretiert wird, vergisst der Verfasser leider viel zu oft, auf wirklich ALLE Bereiche einzugehen. Wer hier "dramaturgisch" tätig wird, müsste ein Buch zum Film schreiben.
Zum Film selbst ist zu sagen, dass Zhang Yimou mit den Arbeiten daran angefangen hat, nachdem er die Oper "Turandot" in Deutschland inszeniert hat. In mehreren Interviews hat er seine Liebe zu westlichen Dramaturgen ;-) wie Shakespeare erklärt, hat vor allem das Theater zu seinem Credo gemacht. Dass seine letzten Filme, "Hero" und "House of Flying Daggers" eingeschlossen, für manche etwas steril daherkommen, liegt daran, dass sie der klassischen Form des Dramas sehr genau angepasst sind. Genau, das Ding in 5 Akten, mit der Klimax.
"Der Fluch der goldenen Blume" ist, was das angeht, die Filmversion eines Kammerspiels. Eben eines solchen, was man auf puristischen Bühnen auf 3Sat zur Genüge sieht. Manchmal mit abstrakteren Kostümen, aber meistens eben steril und auf die Handlung beschränkt. Ab und zu auch mal besungen, aber auch die Melancholie einer Sopranstimme mag nicht jedem auffallen.
Während die meisten auf ein Schlachtenepos, eine malerische China-Landschaft, eine Heul-Arie oder etwas derartiges Pop-Corn-zehrendes gewartet haben, ist ihnen wohl nicht in den Sinn gekommen, dass sie gestern noch in Harry Potter gesessen und das Denken dem sprechenden Hut überlasssen haben. Auch in diesem Film muss nicht allzu viel gedacht werden, jedoch befinden sich genug Stilmittel und eindeutige - ja, eindeutiger geht es ja gar nicht mehr - Anzeichen dafür, dass wir hier in einem Bühnenstück auf Leinwand sitzen. Der Palast ist zwar pompös, aber auf kubistische Räume begrenzt. Das Sichtfeld soll zwar weit wirken, die Farben schieben aber genügend Wände und Begrenzungen hinein, um den Fokus auf die Personen zu legen. Vor allem die Farben sind es, die die starren Regeln des Kaisers wiederspiegeln. Würde man dem Chef da mal zuhören, könnte einem auch die ganze Bandbreite an Konsequenzen für die Königin bewusster werden. Die ganze Tragik, die in ihrem Wesen steckt. Des Kaisers Ideologie steht seinen eigenen Handlungen gegenüber, er rechtfertigt sich und treibt die Handlung voran, und doch ist er durch seine Starrsinnigkeit der am meisten begrenzte Mensch dieses Stücks. Da gibt es schon Parallelen zu König Kreon aus der Geschichte der Antigone.
Die Intrigen und Verwünschungen sind bei Gott keine moderne Seifenoper. Wir befinden uns, wie eine Vorrednerin schon gesagt hat, eben nunmal in etwas, was man auch mit Barock bezeichnen könnte. Gong Li wird da auch nicht singen, tanzen oder kreischend am Boden liegen. Das Motiv der Blume, vollgepumpt mit Gift soll auch kein Heidegras im Nordwind darstellen.
Die große Kampfszene hatte ebenfalls nie die Zielsetzung, der Armee der Chrysanthemen eine Chance offenzuhalten. Das Feld mit den goldenen Blumen ist nichts anderes als die eigene Falle des sowieso schon vermauerten Gebäudes. Hat ernsthaft jemand daran geglaubt, dass die Leute da durchmaschieren und die Kaiserarmee stilvoll wegmetzeln? Das ganze ist ein Atemzug, ein für mich trotzdem gewaltiger, denn das Blut ist ein Mittel der Gewaltinszenierung durch Farbe. Beschreibt man dieses Farbenspiel auch ironisch als gewalttätig für die Augen, so spricht das trotzdem wieder für das, was der Regisseur damit erreichen wollte: Man fühlt sich eingeengt, beunruhigt, mit jedem Schritt betrogen und mit verfaultem Prunk überschüttet. Da hat man nunmal die Gefühlswelt der Kaiserin auf dem Tablett serviert. Dass niemand seinen Palast so einrichten würde, ist mehr als verständlich, aber vollkommen kreuzs*****egal.
Am offensichtlichsten ist die Entlarvung als Theaterstück in dem Moment, als das Palastpersonal die Leichen wegschafft und den Boden mit neuen Blumen überdeckt. Das ist nichts anderes als ein Bühnen- oder Hintergrundwechsel. Nur eben der Vorhang fehlt.
Hat wirklich jemand geglaubt, die Macher hätten das Set so gestaltet, ohne nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein, dass das bei Spielberg und Co. nicht so aussieht?
Zu allerletzt noch ein Wort an die, die sich da visuell nicht zurecht finden konnten und die Schauspielerei als flach empfunden haben: Erinnern Sie sich bitte nochmal daran, dass wir hier eine unendlich alte Geschichte vor uns haben, die auf Ebene eines Theaterstücks aufgearbeitet wurde. Wichtig ist vor allem - für das kulturelle Verständnis - die Sprache. Die Worte und die Wortwahl und die Dialoge. Die sollte man sich eigentlich im Original anhören, was für uns Westeuropäer natürlich nicht ohne weiteres möglich ist. Die Sprache ist jedoch das, was einem bei diesem bewusst gewählten Bühnenbild am wichtigsten sein muss. Und die Sprache ist auch das, was den Kern jeder Kultur ausmacht. Die Menschen fügen sich ihrer Grammatik, ihren Zungenbewegungen und Sprichwörtern, sowie ihren sprachlich bedingten Mentalitäten und ein- zwei- und dreideutig formulierten Ideen.
Dass da aber niemand drauf geachtet hat, Weltbild, Philosophie und Resignation in Wort und Laut etwas gewichtiger zu behandeln, zeigt, dass für derlei kulturell geprägte Filme sich hier kein Zuschauer findet. Die waren nämlich alle in der Oper... Schade aber auch...
Zeremoniel
elvis (77), 25.08.2007
Ich glaube für einen Europäer ist der Film nur schwer erschließbar. Wer Interesse an anderen Kulturen und Kino hat, wird viel sehen können.
Es ist eben mehr Zeremoniel als Aktion.
Dick aufgetragen
woelffchen (597), 01.05.2007
Endlose Gänge - ein Palast-Gefängnis - Hofschranzen jede Menge und jede Menge Rituale, aber auch jede Menge hübscher Mädchen mit push-ups - und viel, viel Schminke - alles randvoll an Farbe - viel Gold und Brokat - vielsagende Gesichter - auch schöne, wie Gong Li - einige Martial-Arts-Einlagen - fliegende und an Seilen herbeischwebende Krieger - und viel rotes Blut, sehr rot - Massenszenen, wie die Ameisen, und dabei jede Menge zertrampelte Chrysamthemen (schade drum!) - überhaupt jede Menge von jeder Menge (kein Wunder bei über 1 Mrd. Chinesen) - Mord und Totschlag und Selbstmord - auch Liebe und viel Intrige usw. usw.
Nach dem Kino: am besten ab in's nächste China-Restaurant - aber nicht jede Menge essen; liegt schwer im Magen - vielleicht wie der Film.
Propaganda
CemileTS (137), 01.05.2007
Gong Li hat ein Problem mit ihrer Tränendrüse, so hat es den Anschein.
Letzlich sollte sie wohl die dramaturgischen Schwächen des Films ausgleichen.
Wenn ich dramaturgie schreibe, dann meine ich "Drama".
In diesem Film wird einem dauernd was Vorgekaut, so unsicher dennoch so opulent gestaltet.
Nun gut, wir erfahren wieder mal von Zhang Yimou und seinen Geldgebern:
Der Patriarchat ist Übermenschlich und in seinen Entschlüssen konsequent.
Die ungeschickte Offenbarung aus dieser Arbeit lautet demnach "nicht Souverän", und diese Offenbarung zieht sich wie ein Roter Faden durch den ganzen Film.
Leider keine "Rote Laterne" mehr (einer der früheren Arbeiten Zhang Yimou) , sondern ein wiederholender Überschuss an "Hero" und "Flying Daggers", bloss mehr Barock gepaart mit betont und geschickte Farbeinsätzen und weniger Martial-
Schade das Gong Li hier Alibi stehen musste.
Sie kann so viel mehr
Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Ruhrgebietsfilmgeschichte erleben
„Glückauf – Film ab!“ im Essener Ruhr Museum
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Lichtspiele mit Charme
Eröffnung der Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ im Ruhr-Museum – Foyer 07/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24