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Gelobt sei Gott

Gelobt sei Gott
Frankreich, Belgien 2019, Laufzeit: 137 Min., FSK 6
Regie: François Ozon
Darsteller: Melvil Poupaud, Denis Ménochet, Swann Arlaud
>> www.gelobt-sei-gott.de

Aktuelles Plädoyer gegen die Vertuschung von Missbrauch

Systematisches Vertuschen
Gelobt sei Gott“ von François Ozon

In der Regel arbeiten Filmemacher von der ersten Idee bis zur Fertigstellung jahrelang an einem Film, bevor sie dann seine Uraufführung auf einem Festival erleben. So sorgte die Information, dass es sich bei François Ozons neuestem Beitrag zum Internationalen Wettbewerb der diesjährigen Berlinale eher um einen Schnellschuss handelt, für Überraschung. Doch schon bald war klar, warum „Gelobt sei Gott“ so schnell entstehen musste, und auch, dass es nicht zum Nachteil des Films sein sollte. Ozons neuer Film beruht auf Tatsachen und ist so nah am Zeitgeschehen, dass der Prozess, von dem er schließlich erzählt, noch nicht abgeschlossen ist. Und trotzdem ist „Gelobt sei Gott“ ein dramaturgisch und inszenatorisch ausgefeiltes und sehr sensibles Werk.

Der gut situierte Familienvater und regelmäßige Kirchengänger Alexandre erfährt durch Zufall, dass Bernard Preynat, der Priester, der ihn als Kind sexuell missbraucht hat, in der Kirche immer noch mit Kindern zusammenarbeitet. Sofort brechen die lange Zeit  verdrängten Erlebnisse wieder aus ihm heraus. Nach einigem Zögern beschließt der religiöse Familienvater zu handeln, damit sich sein eigenes Leid nicht bei anderen Kindern wiederholt. Zunächst scheint er bei dem zuständigen Kardinal Barbarin offene Türen einzurennen. Doch schon bald merkt er, dass er vor allem hingehalten wird. An einer kompletten Aufarbeitung des Falls sind die Oberen der Kirche nicht wirklich interessiert. Anscheinend ist das Wichtigste, dass nichts an die Öffentlichkeit gelangt, kein Imageschaden entsteht. Man möchte die Angelegenheit lieber intern regeln.

Als Alexandre merkt, dass ihm zunehmend die Kraft fehlt, gegen die freundliche Abspeisung durch die Kirche anzukämpfen, erhält er Unterstützung von weiteren Opfern: François hat einen ganz anderen Background: Mittelstand, lebt auf dem Land. Auch er hatte den Missbrauch all die Jahre mehr schlecht als recht verdrängt. François ist ein Kämpfer und macht sich sogleich auf die Suche nach weiteren Opfern. Eine Gruppe findet sich zusammen und gründet einen Verein zur Aufklärung der Fälle. Davon erfährt auch der labile Emmanuel, der es nie geschafft hat, nach dem Missbrauch zu einem normalen, geregelten Leben zu finden und von innerer Wut zu zerreißen droht. Doch in der Gruppe findet er endlich Leidensgenossen, kann reden und kann seine Wut in Aktion verwandeln. Schließlich kommt es zum Prozess...

François Ozon hat die Aufdeckung um den Missbrauchsskandal in Lyon in seinem neuen Spielfilm unaufgeregt, aber eindringlich verarbeitet. Wie bei einem Staffellauf rückt die Handlung Episode für Episode einen neuen Protagonisten in den Fokus des Films, der jeweils unterschiedlich mit der Situation umgeht. Die Figuren sind nah an den realen Vorbildern, die den Fall ins Rollen brachten. Der Film mutet über lange Strecken fast dokumentarisch an und zeigt zunehmend die Dringlichkeit des Themas auf, dass neben den Taten ein zweiter Skandal seine Wurzeln tief in der Struktur der Kirche hat: der anhaltende Versuch, die Missbrauchsfälle zu vertuschen.

Nach der Vorführung auf der Berlinale war im Abspann noch zu lesen, dass der Prozess gegen Bernard Preynat wegen der Missbrauchsfälle und auch gegen Kardinal Barbarin sowie sechs weitere Kirchendiener wegen Vertuschung der Missbrauchsfälle noch läuft. Inzwischen ist Kardinal Barbarin zu einer sechsmonatigen Strafe auf Bewährung verurteilt. Er hat angekündigt, in Berufung zu gehen, sein Amt jedoch niedergelegt. Der Prozess gegen Preynat, dessen Anwalt Anfang des Jahres noch versucht hatte den Start des Kinofilms zu verhindern, ist noch offen. Ausgezeichnet mit dem Großen Preis der Jury auf der Berlinale 2019, ist „Gelobt sei Gott“ nicht nur eine erschütternde Bestandsaufnahme der Versäumnisse in der katholischen Kirche, sondern auch ein Plädoyer für Mut und Zusammenhalt, der jetzt schon zu zahlreichen Diskussion in und außerhalb des Kinos anregt. Auch über die katholische Kirche in Deutschland und ihren Umgang mit den zahlreichen Missbrauchsfällen.

(Christian Meyer-Pröpstl)

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