Gosford Park
Großbritannien/USA/Deutschland 2001, Laufzeit: 137 Min., FSK 12
Regie: Robert Altman
Darsteller: Eileen Atkins, Bob Balaban, Alan Bates, Charles Dance, Stephen Fry, Michael Gambon, Richard E. Grant, Tom Hollander
Er ist der unbestrittene Meister des Ensemble-Films. Seit "Nashville" (1975) schickt er immer wieder Dutzende von Personen ins komplexe Leinwandgeschehen - wohlgemerkt: nicht als Statisten, sondern als Hauptdarsteller. Robert Altman, der Schöpfer überbordender Gesellschafts-Fresken wie "Eine Hochzeit", "Short Cuts" und "Prêt-à-porter" erstürmt mit seinem letzten Werk den Gipfel seiner unvergleichlichen Kino-Puzzle-Kunst. "Gosford Park" dirigiert exakt 35 Personen durch den weitläufigen Schauplatz der Handlung, einen englischen Adelssitz Anfang der 30er Jahre. Selbst in der Souveränität, mit der Altman den Ort und die sich daraus ergebende Raum- und Personenstruktur für seine machtvolle filmische Dramaturgie zum Einsatz bringt, bleibt der inzwischen 77-Jährige unschlagbar. Es gibt vier Gruppierungen: die hier ansässigen Adligen samt Verwandtschaft, die sich zu einer Jagdpartie versammeln, die Gäste, darunter ein amerikanischer Filmproduzent, dann die Dienerschaft im Landhaus selbst und die Diener und Zofen der Besucher. Die raffiniert miteinander verwobenen Handlungsstränge verteilen sich über die verschiedenen Ebenen des Hauses: die Salons und Schlafräume der Herrschaften, den Küchen- und Personaltrakt im Untergeschoss, die Dienstbotenzimmer unterm Dach. Und um die Perspektiven und Bedeutungsebenen des mit präzisem Strich entworfenen Tableaus noch zu erweitern, bringt Altman noch variierte Genre-Stilmittel ein ("Gosford Park" ist auch ein "Murder Mystery"-Drama à la Agatha Christie, denn es passiert ein Mord), lässt Alte und Neue Welt aufeinanderprallen (verknöcherte Tradition wie bei Countess Constance - oscarnominiert: Maggie Smith - und weltläufiger Snobismus wie bei der einzigen authentischen Figur des Films, dem Kino- und Sänger-Star Ivor Novello, gewohnt hinreißend gespielt von Jeremy Northam), philosophiert leichtfüßig über die Dialektik des Verhältnisses von Herr und Knecht, lotet die psychologischen Tiefen der diversen Familiengeheimnisse aus - und so weiter und so weiter. Der Anspielungs- und Bedeutungsreichtum ist kaum in Worte zu fassen.Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: "Gosford Park" ist eine Komödie. Fein ziselierte bis böse Satire ist bekanntlich eine weitere große Stärke des Ausnahme-Regisseurs. Nachdem er jahrelang von Hollywood geschnitten worden war und viel in Europa gearbeitet hatte, war ihm ja mit "The Player" ein genialer Seitenhieb aufs Filmgeschäft und ein großartiges Comeback gelungen. Jetzt ist der Mann sozusagen jenseits von Gut und Böse. Der virtuose Befehlshaber über das hingebungsvoll spielende, fast durchweg englische Schauspieler-Team (aus dem hier noch besonders Alan Bates, Helen Mirren, Emily Watson und Richard E. Grant hervorgehoben werden sollen) und seine hervorragende Crew führt uns mit fester Hand durch die Gänge und Zimmerfluchten, die Intrigen und rasanten Dialoge, die ganze authentische Kulisse einer Epoche, da bleibt dem Zuschauer kaum einmal eine (mentale) Atempause, da sitzt er wie gebannt in seinem Kinosessel und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das ist spannend, das ist von bewunderswerter Raffinesse, das ist überwältigend.
(Heinz Holzapfel)
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