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Halbe Treppe
Deutschland 2001, Laufzeit: 111 Min., FSK 12
Regie: Andreas Dresen
Darsteller: Steffi Kühnert, Gabriela Maria Schmeide, Thorsten Merten, Axel Prahl, Julia Ziesche, Jens Graßmehl, Mascha Rommel, Gregor Ziesche

Zwei Ehepaare in Frankfurt/Oder. Probleme gibt es zuhauf. Chris arbeitet im einzigen Hochhaus der Stadt bei einem Radiosender - "Dauerpower vom Powertower!" - und formuliert gewagte Horoskope im Morgenmagazin. Seine Frau Katrin weist am Grenzübergang LKWs ein. Aufmerksamkeit und Verständnis gibt es schon lange nicht mehr zwischen den beiden. Katrins Freundin Ellen arbeitet in einer Parfümerie. Auch sie, Mutter von zwei Kindern, vermisst echte Zuwendung von seiten ihres dauergestressten Gatten Uwe, der eine Imbissbude namens "Halbe Treppe" betreibt und ab und zu die tiefgefrorenen Eisbeine in der heimischen Badewanne zwischenlagert. Eines Tages ist ihnen sogar der Wellensittich durchs offen gelassene Fenster entflogen. Aber schlimmer noch: Ellen beginnt ein Verhältnis mit Chris. Gemeinsame Dia-Abende gehören bald der Vergangenheit an, denn Katrin erwischt die beiden in flagranti. An diesem Abgrund ist jetzt kein Halten mehr. Das Quartett kommt rasant ins Rutschen. Doch die schiefe Bahn, auf die die Vier in ihrem durch und durch normalen deutschen Alltag geraten, ist bei weitem nicht so steil, wie man befürchten könnte. Der Aufprall am Schluss ist sanft und sogar recht heilsam. Mit "Nachtgestalten" und "Die Polizistin" hat Andreas Dresen bereits zwei herausragende Beispiele für direkten, authentischen Kino-Realismus abgeliefert. Mit "Halbe Treppe" übertrumpft er seine Leistungen noch einmal nachhaltig. Es ist kaum zu glauben, wie nah er seinen Figuren kommt, wie direkt und unvermittelt den Zuschauer dieses gleichermaßen banale wie einzigartige, unvergleichlich bedeutende Alltags- und Lebens-Panorama anspringt. Man erliegt vollkommen der Illusion, unmittelbar Zeuge der Erlebnisse der Menschen zu sein. Dabei ist das Ganze das Resultat eines ausgetüftelten, ungemein schwierig zu realisierenden Kalküls gewesen. Der Film entstand aus reiner Improvisation. Mit Minimal-Budget, wenig Equipment ­ unter anderem einer kleinen digitalen Kamera - und kleiner Crew gedreht, ließ Dresen seine Darsteller ohne Drehbuch Szene für Szene selbst entwickeln, wobei er 120 DV-Kassetten mit seinem Cutter Jörg Hauschild auf 105 Minuten Spielfilmlänge herunterzauberte. Situationen, die nach zweimaligem Durchgang 90 Minuten Material ergaben, erscheinen im fertigen Werk als knappe, knackige 5-Minuten-Dialoge, an denen es nichts zu mäkeln und zu deuteln gibt. Eine Wahnsinnsleistung der Darstellerinnen und Darsteller, ein unglaubliche Meisterschaft beim Regisseur. Das hat Biss, aber auch Witz. Wunderschön die Szenen auf der Treppe vor dem Imbiss, wenn aus einem dudelnden Straßenmusikanten im Verlaufe des Films nach und nach immer mehr werden und am Schluss 17 seltsame Orchestermitglieder drauflos jubilieren und sich herrlich ins Zeug legen. Es sind die "17 Hippies", die sich seit der triumphalen Aufführung des Films bei der diesjährigen Berlinale über eine äußerst rege Nachfrage für bundesweite Engagements freuen können.

(Heinz Holzapfel)

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