Le Passé – Das Vergangene
Frankreich, Iran 2013, Laufzeit: 130 Min., FSK 12
Regie: Asghar Farhadi
Darsteller: Bérénice Bejo, Ali Mosaffa, Tahar Rahim
>> www.lepasse-film.de
Psychologisches Familiendrama
Investigative Gespräche
„Le Passé – Die Vergangenheit“ von Asghar Farhadi
Seine Filme wirken generell so unaufdringlich und beiläufig, dass man kaum wahrnimmt, auf was für eine Reise sie den Zuschauer nehmen. Es sind ganz alltägliche Szenen, die in ihrer Gesamtheit zu einer Art Wahrheitsfindungskrimi werden. Aber nicht nur das Aufdecken der Wahrheit wird in den Filmen minutiös begleitet, auch die Entstehung der Lüge erfährt eine genaue Analyse.
Unterdrückte Gefühle
Als Asghar Farhadi 2009 mit seinem Film „Alles über Elly“ in Berlin den Silbernen Bären gewann, hatte der iranische Regisseur bereits drei Filme gedreht, die andernorts gefeiert wurden, hierzulande aber kaum Beachtung fanden. Auch „Alles über Elly“ lief trotz Auszeichnung in Berlin nur klein in den deutschen Kinos. Das änderte sich, als Farhadis nächster Film 2011 auf der Berlinale den Goldenen Bären gewann. „Nader und Simin – Eine Trennung“ ist ein Film, der seine Figuren dabei beobachtet, wie sie diskursiv die Wahrheit erforschen. Farhadi erwies sich als ein genauer Beobachter, der die Kategorien von Wahrheit und Lüge und ihre Funktion genau analysiert. Dabei schaffte er etwas, was kaum einem seiner iranischen Regiekollegen bisher gelang: Nicht nur in der westlichen Welt werden Farhadis Filme mit einer überraschenden Einigkeit gelobt, ja regelrecht gefeiert. Sogar den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt er. Auch im Iran sind seine Filme ein Erfolg. Die meisten iranischen Arthausfilme von Regisseuren wie Abbas Kiarostami, Jafar Panahi, Bahman Ghobadi, Mohammad Rasoulof oder Mohsen und dessen Tochter Samira Makhmalbaf scheitern alleine schon deswegen, weil ihre Filme im eigenen Land kaum oder gar nicht zu sehen sind. Farhadi scheint mit seinem Blick auf die iranische Gesellschaft ein Balanceakt zu gelingen, der hier wie dort funktioniert. Trotzdem hat er seinen neuen Film in Frankreich gedreht.
Ahmad (Ali Mosaffa) kehrt nach vier Jahren nach Paris zurück. Hier hat er mit Marie (Bérénice Bejo, „The Artist“) und ihren beiden Kindern Léa (Jeanne Jestin) und der älteren Lucie (Pauline Burlet) gelebt. Die Kinder sind aus Maries erster Ehe. Inzwischen ist Marie mit Samir (Tahar Rahim, „Ein Prophet“) zusammen, der wiederum einen Sohn hat: Fouad (Elyes Aguis) ist ungefähr im Alter von Léa, seine Mutter, Samirs Ehefrau, liegt nach einem Selbstmordversuch seit Monaten im Koma. Ahmad gerät in dieses familiäre Chaos, weil Marie um die Scheidung bittet, um Samir heiraten zu können. Das Verhältnis zwischen Ahmad und Marie ist von Anfang an gespannt. Vorwürfe bestimmen ihre Gespräche. Doch dann erzählt Marie von ihrer Sorge um Lucie. Sie durchlebt eine Phase der Revolte, schwänzt die Schule, bleibt ohne Nachricht lange weg und streitet ständig mit ihrer Mutter. Samir zeigt sie unverhohlen ihre Ablehnung. Als Ahmad nach einer Unterhaltung mit Lucie die Hintergründe für ihre Wut erahnt, entfaltet sich ein diskursives Karussell, das mit jedem neuen Gespräch eine neue Wendung bringt und die Wahrheit über die Vergangenheit ein Stück mehr entblättert. Und es wird klar, dass Maries Blick in die Zukunft mit der Vergangenheit, die Lucie, aber auch Samir und Fouad gefangen hält, kollidiert. Samir reagiert mit Apathie, Lucie und Fouad reagieren mit Wut. Doch die wahre Geschichte hinter all den unterdrückten und sublimierten Gefühlen ist noch mal eine ganz andere.
In ständiger Bewegung
Asghar Farhadi hat nicht nur eine gute Hand fürs Casting, er ist auch ein grandioser Schauspieler-Führer. Dadurch, dass seine Darsteller unprätentiös den Alltag ihrer Figuren vorleben, während sie permanent eine unausgesprochene Vergangenheit hinter sich her schleppen, gewinnen seine Filme ganz subtil an psychologischer Tiefe. Dank seiner von der Theaterarbeit entlehnten, intensiven Probetechnik gelingt Farhadi das Gleiche bei den Kinderdarstellern, mit denen er regelmäßig zusammenarbeitet. Kinder sind wichtig in seinen Filmen – sie treiben die Geschichten voran: In „Alles über Elly“ stehen mehrere Kinder im Zentrum der Handlung, auch wenn sie hier eine eher passive Rolle einnehmen. In „Nader und Simin – Eine Trennung“ ist es Farhadis Tochter Sarina, die die elfjährige Tochter des Scheidungspaares spielt und für den Verlauf der Handlung von großer Bedeutung ist. In „Le Passé – Die Vergangenheit“ sind gleich drei Kinder in prominenten und sehr unterschiedlichen Rollen zu sehen. Sie fungieren als Spiegel einer Erwachsenenwelt, in der Gefühle nicht ausgesprochen werden: Mit ihrer nonverbalen Wut auf die von der Erwachsenenwelt vorgegebenen Zustände nötigen Fouad und Lucie ihre Umgebung zu reagieren. Ähnlich fordert auch der Film mit seinen vielen Perspektivwechseln den Zuschauer zu einer ständigen Neupositionierung heraus und hält so sein Fühlen und Denken ununterbrochen in Bewegung.
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