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Magnolia

Magnolia
USA 1999, Laufzeit: 188 Min., FSK 12
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Tom Cruise, Melora Walters, John C. Reilly, Philip Seymour Hoffmann, Melinda Dillon, Michael Bowen, Luis Guzman , Henry Gibson, April Grace, Ricky Jay, Alfred Molina, Ezra Buzzington

Bei der Suche nach vergleichbaren Filmen stößt man höchstens auf Robert Altman. Nur ihm gelang es, Episoden und Handlungsstränge so subtil zu verquicken, ein Vielzahl Personen - wie in "Nashville", "Eine Hochzeit", "Short Cuts" oder "Prêt-à-Porter" - nebeneinander und miteinander in parallel geschalteten Sequenzen so präzise agieren zu lassen. Doch "Magnolia" ist trotzdem unvergleichlich. Dieses Dreistunden-Werk überfällt den Zuschauer mit einer Wucht, gegen die selbst der Meister im Vergleich nur unverbindliche Satire lieferte. Der 30jährige Paul Thomas Anderson ("Boogie Nights") jagt den Zuschauer durch eine irrwitzige Bild- und Sound-Attacke, in der neun Menschen während eines Tages und einer Nacht im San Fernando Valley, Kalifornien, bis in den Abgrund ihrer Seele schauen, ungeahnte Erkenntnis finden, definitive Entscheidungen fällen. Das Schicksal spielt hier Regie. Doch um Missverständnisse auszuschließen: diesem Epos haftet nichts Schweres an. Keine Überfrachtung mit Pseudo-Weisheiten, kein zäher, mühsamer ideologischer Intellektuellen-Trip. Die rasante Bilderflut lässt nicht eine Sekunde Langweile aufkommen. Schnitte, Einstellungen, Kamerafahrten geben dem Seelen-Inferno einen Drive, der einem den Atem verschlägt. Die Leistungen der Darsteller sind schon fast beängstigend zu nennen. Der Prolog gibt bereits das Thema vor. Bissige, urkomische Storys von der unerbittlichen Herrschaft des Zufalls. Und tatsächlich: kommen einem die meisten Begebenheiten des Lebens nicht unerklärlich schicksalsgegeben vor? Andererseits: fühlen wir uns nicht trotzdem zu jedem Zeitpunkt als Souverän unseres eigenen Lebens, haben alles unter Kontrolle, sind Meister unseres Schicksals? Ich bin das Subjekt. Das ist, wenn man es wortwörtlich nimmt, der böse Doppelsinn: Herrscher zu sein und Unterworfener zugleich. Also gut: tretet hinaus und spielt euer Spiel. Lasst euch durcheinanderwirbeln und euch nicht beirren, dass alles nach eigenen Maßgaben passiert. Schaut euch die Experimentier-Anordnung dieses filmischen Meisterwerks an. Aus seinem Blickwinkel erschließt sich manches. Wir erfahren über Bosheit und Reue, Revolte und Heimkehr, Verzweiflung und Trost. Wir verstehen, wie wichtig es ist, einfachste Regeln zu beachten, und wie verständlich, dass gegen sie verstoßen wird. Wir sehen, wie Liebe entsteht und Hass sich Bahn bricht. Wir beobachten, wie aus Stärke weinerliche Niederlage wird und aus Hilflosigkeit entschiedenes handelndes Zupacken. Wie in einem einzigen, langgezogenen Showdown, bei dem nach und nach die Bildfolgen unmerklich schneller werden, in einer raffiniert eskalierenden Montage-Technik streben die virtuos kollagierten Episoden am Ende scheinbar einer Katastrophe von geradezu biblischem Ausmaß zu. Doch hier, am gierig erwarteten Kulminationspunkt der kunstvoll verwobenen Geschichten, werden endlich die bedrückenden Schicksalsknoten zerschlagen. Ein Aufatmen. Eine wunderbare Befreiung. Genau so musste es kommen. Es war von Anfang an so angelegt. Der Regisseur-Gott hatte die Schicksale fest in seiner Hand und siehe: alles ward gut. Ihm sei unendlicher Dank.

(Heinz Holzapfel)

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