Only Lovers Left Alive
USA 2013, Laufzeit: 123 Min., FSK 12
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Tilda Swinton, Tom Hiddleston, John Hurt, Mia Wasikowska, Jeffrey Wright, Anton Yelchin, Slimane Dazi
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Im Totwasser des Zeitgeistes
Matt513 (266), 13.02.2014
Einen Film mit so wenig Handlung so unwiderstehlich gestalten zu vermögen, dafür sei Herrn Jarmusch reichlich gedankt. Noch Wochen später denkt man gerne daran zurück und soviel Gutes ist zu Recht bereits erwähnt worden.
Ein Film auch über die Relativität des Zeitempfindens - hält er sich von der bösen Sonne (und neuerdings verseuchtem Blut!) fern, schlägt einem Vampir eigentlich keine Stunde. Jahrhundertelang steht er als unsichtbarer Beobachter dem eitlen Treiben der Sterblichen mal resignierend, mal abschätzig gegenüber, derweil in seiner Kemenate sich Artefakte der Epochen wie Treibholz im Totwasser sammeln, vom gleichförmig dahinziehenden Strom des Zeitgeistes verschmäht.
Damit sein intellektueller Film über die Schattenwesen der Unterwelt nicht zu intellektuell gerät, nimmt der Regisseur das eine oder andere Versatzstück des Genres zur Hand - sehr zur Freude des Zuschauers. Vergnügt schmunzelt man über die Opening credits in blutroter Frakturschrift. Blut trinken Vampire und in Zeiten, in welchen ein zunehmend entkörpertes Social life übers Netz abläuft, eben jeder für sich zu Hause. Der remote genossene Blut-Toast zählt für mich zu den Höhepunkten. Jarmusch beweist mit seinem Casting wieder einmal ein glückliches Händchen. Die irren Knopfaugen des untoten Albinowesens im nächtlichen Tanger, das Swinton grandios spielt, waren schon den Eintritt wert. Sollte aber Quentin Tarantino jemals eine Vampir-Adaption des Herrn der Ringe drehen wollen, wird er an der Verpflichtung von John Hurt als Gandalf mit scharfen Fängen kaum vorbeikommen :).
Das Leben der Vampir-Bohème
hanslucas (5), 06.02.2014
So ein Vampir-Dasein ist kein Zuckerschlecken. Nicht nur, dass Vampire Jahrhunderte alt werden. Das Tageslicht bekommt ihnen nicht und ihr Grundnahrungsmittel Blut erhalten sie auch nicht beim Supermarkt nebenan, sondern müssen es beim Dealer ihres Vertrauens bestellen. Entsprechend schlecht geht es Adam. So schlecht, dass Eve (Tilda Swinton), die mit ihm eine Skype-Fernbeziehung zwischen Detroit und Tanger pflegt, kurzerhand zu ihm reist.
Wer mit den Filmen des Kult-Regisseurs Jim Jarmusch vertraut ist, ahnt, dass spektakuläre Plotwendungen nicht mehr unbedingt zu erwarten sind. Adam ist der personifizierte Kulturpessimismus, sein Refugium gleicht einem Bunker gegen all die kulturellen Geschmacksentgleisungen da draußen. Gegen die Zombies, wie er die Menschen verächtlich nennt. Dies drückt auch sein Interieur aus: statt Flachbildschirm-Megaglotzen, Tablets oder Notebooks zieren eine alte Röhrenkiste, analoge Röhrenverstärker oder eine Sammlung antiquierter E-Gitarren seine Butze.
In einer gleichzeitig überbordenden wie langweiligen Zeit ist es die Sehnsucht nach dem Gestern, die Eve und Adam als Paar zusammenhält. Dies zelebriert Jarmusch. Untermalt von langsamen, epischen Gitarrenriffs zeigt er, wie sie sich in ihren asketischen Alltag eingrooven, zwischendurch wird Blut getankt, aber zivilisiert: aus Konserven, noch lieber aus Likörgläschen oder als 0-Negativ-Eis-am-Stil. Wer an die Teenie-Sorgen der Twillight-Vampire denkt, bekommt hier das Kontrastprogramm. Jarmusch zeigt deren gelegentliche Fahrten durchs nächtliche Detroit, die fordistische Industriestadt, die einst florierte, jetzt aber, nachdem die Autohersteller den Standort verließen, als Geisterstadt erscheint. Das Kapital ist weitergezogen, langsam erobert sich die Natur die Gegend zurück. Jamusch zeigt das in elegischen Bildern. „Früher war alles besser“ – diese Idee schwingt auch mit, wenn Jarmusch die Kamera durch die nächtliche „Motor City“ schweben lässt. Vielleicht ist Jarmusch ein Konservativer, aber er ist der lässigste, der coolste Konservative. Lakonisches Grundgefühl, poetische und langsame Inszenierung, das ist Jarmuschs Stil, sein Markenzeichen. Dem bleibt er treu. Nicht mehr, nicht weniger.
ich bin etwas voreingenommen wenn es um Tilda Swinton geht ....
tinetuschen (142), 27.01.2014
... dieser Frau könnte ich stundenlang zuschauen. Aber auch sonst ist der Film wunderbar komponiert ... im doppelten Sinne. Alles andere haben die anderen schon geschrieben ...
Der lange, blutige Fünf-Uhr-Tee
Das Auge (335), 21.01.2014
Es hilft nicht, lange tot zu sein, wenn die Traurigkeit einen umfängt. Wobei tot in diesem sehr schönen und geistreichen Film relativ ist. Die einen leben und dies nach Vampirmaßstäben nur sehr kurz, die anderen überdauern Jahrhunderte und sind offiziell tot. Was macht man mit der vielen Zeit? Der ein macht inzwischen Club-Musik und sammelt alte Instrumente, die andere liest sich durch die Weltliteratur in allen Sprachen, die es so gibt, der Dritte dichtet immer weiter und unterrichtet ein wenig. Da das Lebenselixier knapp wird bzw. vergiftet ist (kluge Idee), muss man sich wieder der ursprünglichen Stoffbeschaffung widmen, der Hunger treibt einen halt dazu. Ein Film, der sich mit Kino, Kultur, Leben und Tod, Schönheit und allgemein Vergänglichkeit und vor allem mit ewiger Liebe zu einem Geist und zu einem Menschen, äh Vampir in wunderbaren, dunklen Bildern und mit einem Schuss jugendlicher Anarchie, Witz und Klugheit gesegnet, zu einem Genuss verdichtet, der einem alten, sehr guten Cognac und einer passenden, perfekt gelagerten Zigarre mindestens ebenbürtig ist. Wer Augen hat, sehe.
Adam and Eve - ganz super!
woelffchen (597), 30.12.2013
Vampire sind doch die besseren Menschen – vernünftiger, intelligenter, gebildeter, kreativer und einsichtsvoller und mit mehr Weitblick für die Zukunft unseres Planeten. Dass sie nur von Menschenblut leben können, ist leider ihr Pech. Noch nie waren sie mir so sympathisch wie nach diesem wundervollen Portrait von Jim Jarmusch!
Ich wünschte, ich wäre einer von ihnen… :-)
Der Film: Besonders sehenswert! Aber auch wieder nur für Insider.
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