The Apprentice – The Trump Story
Kanada, Dänemark, Irland, USA 2024, Laufzeit: 120 Min., FSK 12
Regie: Ali Abbasi
Darsteller: Sebastian Stan, Jeremy Strong, Maria Bakalova
>> dcmstories.com/movie/the-apprentice/
Entlarvendes Drama über das System Trump
Egoshooter
„The Apprentice – The Trump Story“ von Ali Abbasi
New York, wir schreiben die 1970er, und Donald Trump (Sebastian Stan, „A Different Man“) ist gerade in seinen Dreißigern. Sein Vater, Fred Trump (Martin Donovan), hat längst ein Immobilienimperium aufgebaut. Trump steht in seinem Schatten, arbeitet in Dads Kanzlei, macht 1968 seinen Bachelor. Der Millionärssohn bewegt sich, und hier setzt die Filmhandlung ein, in elitären Kreisen. Und eben dort begegnet er dem konservativen Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong). Cohn erkennt Trumps Potenzial und führt ihn als Mentor in die Spielregeln der Macht, der Erpressung und der Lüge ein. Ein Lügengerüst, das dem künftigen US-Präsidenten zur zweiten Haut erwächst und ihm eine goldene Zukunft beschert.
Der Spielfilm ist erschütternd und gut, und Donald Trumps Anwälte haben natürlich reflexhaft eine Unterlassungsaufforderung eingereicht: Das Drama soll nicht in den USA starten! Und schon gar nicht vor der anstehenden Präsidentschaftswahl. Der Vorwurf der Wahlmanipulation steht im Raum. Dabei ist der Film gar keine us-amerikanische Produktion. „The Apprentice“ ist ein kanadisch-dänisch-irischer Spielfilm, Regie führt der iranisch-dänische Filmemacher Ali Abbasi („Border“, „Holy Spider“). Und auch, wenn Abbasi konkret von Trump und Cohn erzählt, betont Abbasi, „The Apprentice“ sei „kein Biopic“, sondern in erster Linie ein Film über die Beziehung der beiden – und über ein System, das Machtmenschen wie Cohn und Trump möglich macht.
Als junger Journalist hat Drehbuchautor Gabriel Sherman wiederholt Donald Trump interviewt, lang vor dessen politischer Karriere. Sherman hat 2014 eine Biografie über den Fox-News-Gründer Roger Ailes geschrieben. Er hat über Trumps Wahlkampf berichtet und seine erste Zeit im Amt. Sherman analysierte Trumps Kalkül, die Manipulationsmechanismen und Regeln, die ihn an die Macht brachten. Er recherchierte, er interviewte Wegbegleiter und Angestellte von Trump und Cohn. Shermans Drehbuch ist angesiedelt in einer Zeit, in der Trump bereits Machtmensch war, in dem ihm aber noch das nötige Werkzeug fehlte. Cohn war sein Werkzeugkoffer.
Abbasi erzählt spannungsvoll und souverän, die beiden Hauptdarsteller brillieren, vor allem Method Actor Jeremy Strong. Die Beziehung von Cohn und Trump hat großes, narratives Potenzial, Abbasi verweist auf Stanley Kubricks „Barry Lyndon“, Produzentin Amy Bear auf Mary Shelley „Frankenstein“ und grundsätzlich auf die „Shakespeare’schen Qualitäten“ – an all dem ist etwas dran. Und so sehr die Filmemacher:innen darauf beharren, vor allem ein System zu sezieren, so sehr ist ihr Film natürlich Statement. Natürlich stehen hinter dieser kanadisch-dänisch-irischen Produktion auch us-amerikanische Produzenten. Natürlich nimmt der Kinostart Einfluss auf aktuelle politische Stimmungen. Und natürlich ist der Film auch biografisch. Und wenn er zeigt, wie Trump seine Frau Ivana vergewaltigt, dann macht es sich das Drama mit dieser Szene (der Vorwurf einer Vergewaltigung im Jahr 1989 wurde von Ivana Trump 1990 aufgebracht, 2018 zog sie ihn wieder zurück) selbst schwer und gibt Trump vermeintlich überflüssigerweise Angriffsflächen.
Am Ende geht es dem Film aber nicht darum, bis ins Detail wahrhaftig zu sein, sondern es geht ihm darum, bis ins Detail schlüssig zu sein! Um schlüssig zu sein, muss nicht alles den Tatsachen entsprechen, was gezeigt wird. Anders herum ist hier alles, was gezeigt wird, schlüssig. Alles passt hinein in das System Cohn. Das System Trump. Lüge. Empathielosigkeit. Verrat. Gewissenlosigkeit. Kollateralschaden. Erpressung Vergewaltigung. Trump sollte nicht wüten gegen die Vergewaltigungsszene. Er sollte dagegen wüten, dass der Film ihn lesbar macht. Durchschaubar. Nicht der Film ist eine Gefahr für Trumps zweite Präsidentschaftskandidatur. Trump selbst ist eine Gefahr für Trumps zweite Präsidentschaftskandidatur. Nichts mehr und nichts weniger erzählt dieser Film: Davon, wie Trump tickt und warum.
Menschen schaffen Systeme und diese Systeme schaffen Menschen: „The Apprentice“ fächert ein Machtsystem und seine Regeln auf, ein System, das seit Jahrzehnten gedeiht und heute weltweit die Demokratien ernsthaft erschüttert. Dabei bietet das Drama es zumindest einen Lichtblick: Dass sich die Mächtigen hier, die sich gerne „Killer“ nennen, in ihrem Machthunger ohne mit der Wimper zu zucken auch mal gegenseitig erledigen. Ein schwacher Trost. Aber immerhin.
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