The Father
Großbritannien, Frankreich 2020, Laufzeit: 98 Min., FSK 6
Regie: Florian Zeller
Darsteller: Anthony Hopkins, Olivia Colman, Rufus Sewell
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Demenz-Drama mit Thrillerelementen
Orientierungsloses Ich
„The Father“ von Florian Zeller
Der 80-jährige, wohlsituierte Anthony wohnt in einer großen Wohnung mitten in London. Seine Tochter Anne kümmert sich liebevoll um ihn, doch ist sie der Sache auf Dauer nicht gewachsen. Nachdem Anthony wieder einmal eine Pflegerin vergrault hat, stellt sich Laura vor, die Anthony sichtlich gefällt. Unter anderem, weil sie ihn sehr an seine geliebte Tochter Lucy erinnert, die als Künstlerin arbeitet, sich aber schon lange nicht mehr hat blicken lassen. Als Anne ihrem Vater erzählt, dass sie mit einem Mann nach Paris gehen wird, ist Anthony darüber zugleich so erbost und traurig, dass sie ihn alleine lässt. Am nächsten Tag erscheint die neue Pflegerin zu ihrem ersten Dienst, doch zu Anthonys großer Enttäuschung ist das eine ganz andere Laura als die, zu sich am Vortag vorgestellt hat. Anthony ist irritiert. Plötzlich ist da auch ein Mann in seiner Wohnung – angeblich Annes Mann. Und angeblich leben sie alle zusammen, aber nicht in seiner, sondern in Annes Wohnung. Und seine Tochter Lucy hatte einen schweren Unfall? Und wer ist der zweite Mann in der Wohnung? Und wo ist seine Uhr, die ihm immer etwas Orientierung gibt. Hat die wieder die Pflegerin geklaut?
Der Schriftsteller Florian Zeller ist einer der meist aufgeführten zeitgenössischen französischen Dramatiker. Er hatte bereits mit dem Drehbuch für „Verliebt in meine Frau“ mit Gérard Depardieu, Sandrine Kiberlain und Daniel Auteuil, der auch die Regie führte, ein Spiel um Wahrnehmung und Fantasievorstellungen entfacht, doch das filmische Ergebnis gerann zur bieder-komödiantischen Herrenfantasie. Das ist bei „The Father“ ganz anders. Hier wagt Zeller einen Blick auf das Thema Demenz. Oder besser: in das Thema. Denn der Film widmet sich diesem schwierigen Krankheitsbild von innen. Der Zuschauer erlebt die Verwechslung, die Desorientierung, die Verwirrung aus der Innenperspektive des Protagonisten. Und der Zuschauer erlebt auch die daraus resultierende Unsicherheit von Anthony, die mal in Trauer, mal in Verzweiflung und mal in Wut umschlägt. Die Versuche, die Irritationen geradezurücken, sich einen Reim aus all dem zu machen, was da nicht mehr so recht zusammenpassen mag, verbreitet mitunter die Atmosphäre eines Psychothrillers. Immer wieder kollidieren die Sinneseindrücke mit der eigenen Erinnerung, die dann mit größter fantasievoller Kraft wiederum neu justiert werden muss.
All das erzählt der Film relativ ruhig und fast ausschließlich an einem Ort, der sich aber ebenso wie die Figuren in permanenter Wandlung und Umdeutung befindet. Das alles kennt man ja tatsächlich aus zahlreichen Psychothrillern der Filmgeschichte, angefangen bei Hitchcocks „Verdacht“. In „The Father“ wird der inszenatorische Moment aber nie zu sehr in Richtung Genre ausgereizt, so dass das eigentliche Anliegen des Films, das Drama der Demenz von innen her erleb- und erfahrbar zu machen, erschreckend intensiv gelingt. Das ist nicht zuletzt auch der Glanzleistung von Anthony Hopkins geschuldet, der hier mit über 80 Jahren glaubhaft eine emotionale Achterbahn darstellt, dass man sogleich voll ins präventive Gehirntraining einsteigen möchte.
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