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The Favourite – Intrigen und Irrsinn

The Favourite – Intrigen und Irrsinn
USA, Großbritannien, Irland 2018, Laufzeit: 120 Min., FSK 12
Regie: Yórgos Lánthimos
Darsteller: Emma Stone, Rachel Weisz, Olivia Colman
>> www.fox.de/the-favourite

Meisterliche Regenten-Satire

Macht und Ohnmacht
„The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ von Yorgos Lanthimos

Draußen scheißt das Volk auf die Straße – aus politischem Protest. Das ist in unseren Gefilden vorerst nicht mehr Gang und Gebe. Wohl aber im Königreich England um 1707. Regisseur Yorgos Lanthimos fragt sich wieso und wirft einen Blick auf den Hofstaat – in heiterer Süffisanz und tiefer Tragik gleichermaßen: Königin Anne (Olivia Colman) regiert seit fünf Jahren das Königreich. Immerzu an ihrer Seite: Lady Sarah Churchill (Rache Weisz), seit Jahren engste und einflussreiche Vertraute der Regentin. Das Land steckt im Krieg mit Frankreich, Anne ist von der Regierungsarbeit sichtlich überfordert, Sarah bringt Ruhe und Rat ins politische Tagesgeschäft. Die Beziehung der zwei Frauen ist äußerst eng. Dann aber taucht die gefallene Lady Abigail Masham (Emma Stone) bei Hofe auf und heuert als fürsorgliche Kammerjungfer an. Schon bald entpuppt sich Abigail als kluge, verführerische Intrigantin: Sie versucht, Sarah den Platz an der Seite der Königin streitig zu machen. Dafür macht sie sich schwelende Konflikte im Parlament zunutze und manipuliert Queen und Kabinettsmitglieder. Doch Sarah ergibt sich nicht kampflos.

Dieses Drama ist nicht nur inszenatorisch ein Fest. Lanthimos liefert zum einen eine Satire, die sich gewaschen hat und mehr als augenzwinkernd auf die Gegenwart verweist, wenn sie eine Herrscherin vorführt, die Regentin ist und Kindskopf. Die Lösungsansätze aus dem Spielzeugkoffer generiert, die herrscht fernab von Diplomatie und Sachkenntnis. Die von Trotz erfüllt, dem Volk entrückt, launisch Entscheidungen fällt, um diese in der Folge wieder zu verwerfen. Instabil, selbstverliebt, unreflektiert, unberechenbar – und mächtig: Das ist bis heute eine schlechte Mischung. Gut, Donald Trump täuscht bisher noch keine Ohnmacht vor, um sich auf öffentlicher Bühne vor einer Entscheidung zu drücken. Vor allem aber unterscheidet ihn von Königin Anne, dass diese ungleich dramatisch schicksalsgeschlagen ist: Sie leidet nicht nur an Gichtanfällen, sondern hat insgesamt siebzehn Kinder verloren – siebzehn freilaufende Kaninchen in ihrem Palastzimmerlein vergegenwärtigen den schmerzlichen Verlust. Und anders als manch anderer Herrscher ist Anne, wenn sie mal nicht mit dem eigenen Befinden beschäftigt ist, im Grunde ihres Herzens durchaus bekümmert um das Wohl ihres Landes. Zunehmend zermürbend wird sie ihrer eigenen Ohnmacht hinter ihrer Machtposition gewahr, so dass in der Folge das anfangs so wundervoll komische Drama immer mehr in die Tragödie kippt, wenn es Konsequenzen offenbart. Die Konsequenz der späten Selbsterkenntnis. Anne ist Täterin und Opfer, ein Spielball zweier konkurrierender, manipulativer Frauen: Freimütig fremdgesteuert schlittert die Queen durch Manipulation und Fehlentscheidungen, bis sie am Ende vor den Scherben liegt und in ihrem selbstverschuldeten Unglück erstickt. Die Kunst dieses Dramas ist, dass man, nachdem man diese Königin über lange Zeit mit spöttischem Lacher bedenkt, am Ende beinahe Mitleid empfindet. Diesen Bogen von feiner Satire zu bitterem Abgrund spannt Lanthimos meisterlich. Und Olivia Colman wurde für ihre Performance bei den 75. Internationalen Filmfestspielen von Venedig bereits als beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Erfrischend anders ist dieses Historiendrama auch, weil es mit den Skriptautoren Deborah Dean Davis und Tony McNamara ein Originaldrehbuch vorlegt und mal nicht bloß Jane Austen & Co. adaptiert. Das spürt man am Witz, das spürt man an der Sprache (dirty), das spürt man am Heute. Die Perspektive ist eine andere, eine besondere. Und damit ist Lanthimos („The Lobster“, „The Killing of a Sacred Deer“) prädestiniert für den Job. Er übersetzt die Vorlage inspiriert auf die große Leinwand, die er zum einen klassisch opulent füllt, die er aber immer wieder mit surreal anmutenden Szenerien sprenkelt, die absurd, aber trefflich die Dekadenz bei Hofe spiegeln. Der Soundtrack von Sound-Designer Johnnie Burn legt sich anmutig psychedelisch darüber. „The Favourite“ ist ein Meisterwerk. Und ein Gesamtkunstwerk.

Oscar 2019: Beste Hauptdarstellerin (Olivia Colman)

Venedig 2018: Silberner Löwe; Beste Schauspielerin, Olivia Colman

(Hartmut Ernst)

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