In einem Monat, in dem die ersten Ruhrtriennale-Theaterkarten gegen reichlich Kohle den Besitzer wechseln, sich Mädels und Buben aus den nordrhein-westfälischen Kulturseilschaften gegenseitig die Freilose dafür zuschanzen, genau in diesem Monat ist es wieder soweit: Am letzten Ferienwochenende lädt Dortmund traditionell in die Innenstadt fürs Micro!Festival. Drei Tage lang, wie immer umsonst, dafür aber auch immer draußen. 15 Ensembles aus Europa, Japan und Südafrika werden den Friedensplatz mit internationalem Straßentheater und Weltmusik überziehen, Artistik-Stunts, Comedy-Acts und Live-Konzerte. Das Highlight in diesem Jahr dürften wohl die vierzig Taiko-Trommeln des japanischen Tokio Tribal Groove Orchestra Gocoo werden – die Trommler sind auch Teil des „Matrix Reloaded“-Soundtracks. Aber auch das Schwein mit der Katze rockt, ein Hund will auch trommeln und Kuh tanzt Polka dazu. Noch Fragen?
Schon der Freitag ist kaum noch zu übertreffen und sei als Beispiel mal Programmpunkt für Programmpunkt durchdekliniert: Der Abend beginnt früh (18 Uhr) mitDanube‘s Banks. Das sind sechs junge Hamburger „Gadje“-Musiker, die gern mal klassische Kompositionen eines Django Reinhardt mit Klezmer, Swing oder Musette-Walzern verbinden. Eine Stunde später fliegen eine rote Kiste und fünf gewöhnliche Klappleitern durch die angeheizte Luft auf dem Friedensplatz. Dazu natürlich auch die zwei spanischen Artisten von Doble Mandoble. „La Belle Escabelle“ (Die schöne Trittleiter) wird ein Stück absurdes Zirkustheater. Danach kommen die Japaner von Gocoo mit ihrem perfekt choreografierten Trommelgewitter (siehe oben). Sollte sich danach wider Erwarten wohlige Erschöpfung im Publikum breit machen: Etwas Grusel mit der niederländischen Compagnie DaaD und noch mal Doble Mandoble wecken schnell wieder auf, bevor Goitse aus Irland den Zuschauern den Rest geben. Im letzten Jahr fuhren die Headliner des Irish Folk Festivals quer durch Europa. Das war nur ein Abend in Dortmund und es kommen noch zwei!
Die Samstagnacht gehört der antagon theaterAKTion mit „F.A.U.S.T. III“. Wer sich noch an das legendäre R.A.M.M.-Theater erinnert oder einmal La Fura dels Baus gesehen hat, den wird dieses deutsche Pendant begeistern, wenn er sich im Sturm orientieren kann, zwischen fliegendem Geld und goldenen Affen. Wer hätte nachmittags gedacht, dass es zu Loco Brusca aus Barcelona und seiner körperbetonten Interpretation der Dr.-Jekyll-&-Mr.-Hyde-Geschichte noch eine literarische Steigerung gibt. Der Sonntag gehört erst den Kindern und dann der spanischen Tanzkompanie Mar Gómez. In „Between You and Me“ entwickeln sie rund um ein Gewächshaus das illustre Spiel um Leidenschaft, Sex und Begierde (19 Uhr). Ein schüchterner Florist soll dort von einer höchst charismatischen Dame angezogen werden, oder war das anders? Danach kann man nur noch abhotten bei Mama Afrika, die sich auch bei Motown und Soul bedient. Nomfusi aus Südafrika schließt mit ihrer grandiosen Stimme das diesjährige Festival.
Micro!Festival | 7.-9.8. | Friedensplatz Dortmund | draußen und umsonst | www.dortmund.de/kulturbuero
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