Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
10 11 12 13 14 15 16
17 18 19 20 21 22 23

12.605 Beiträge zu
3.820 Filmen im Forum

„Die Verwandlung“
Foto: Sandra Schuck

Franz Kafka, na und?

30. April 2015

„Die Verwandlung“ in Bochum – Theater Ruhr 05/15

„Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.“ Das stimmt. Und so sind von Gregor Samsa in seinem Zimmer nur noch die polizeilichen Umrisse geblieben, es ist ein Zimmer im Comicstil, schwarz und rot. Aber noch ist die Akte X Samsa nicht geschlossen, noch müssen Special Agents Daner und Mölder das Rätsel lösen, die DNA der Schabe in der Autopsie passt definitiv zum Handelsvertreter aus Kafkas „Die Verwandlung“ von 1912. Kafka? Tatsächlich? Romy Schmidt inszeniert im Bochumer Prinz Regent Theater eine Krimigroteske vom Feinsten. Insbesondere für Zuschauer älteren Semesters. Oder kennen Sie etwa noch „Frauengold“? DAS Mittel der 50er, das Frauen rezeptfrei ruhigstellte, kein Wunder bei 16 % Alkohol. Nur am Rande, ebenfalls rezeptfrei: Klosterfrau Melissengeist, die Medizin für alkoholabhängige Rentner mit 79%.

Schmidt spinnt ihre Geschichte geschickt weiter, aus dem Off gibt der sagenumwobene Dr. Nabokov (Lolita, 1962) den beiden Kriminalisten den Auftrag, „die Wechselwirkungen zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu erforschen“. Schön und gut, doch wieso eine Schabe, das ruft doch zwangsläufig nach den „Bugbusters“. Break mit Titelmusik. Eine Tür wird aufgestoßen. Mist der „Zonk“. Erinnert sich da tatsächlich jemand? Egal in dieser Inszenierung ist alles erlaubt, und mit Maria Wolf und Helge Salnikau hat die Regisseurin, die ab der nächsten Spielzeit das Theater übernehmen wird, zwei Protagonisten, denen man diese Rollen auch abnimmt. Köstlich wie sie sich die Akte-X-Bälle immer wieder zuspielen, ein spätpubertärer Kafka zwischen „Twin Peaks“ und „Die Fliege“ wird das jedenfalls nie. Für die Original-Verwandlung steht die blutjunge Marla Kiefer aus dem Jugendclub, die die gesamte beteiligte Familie von Gregor Samsa spielt und ständig unter Generalverdacht steht. Am Ende ist es aber Mölder, dem die Handschellen angelegt werden. Er hat zwar nichts verbrochen, oder doch? Das wird „Der Prozess“ schon zeigen, aber das ist ein anderer Kriminalfall. Sagen Sie jetzt nicht „Na und“, denn darauf gibt es keine Antwort. Das war die beste Idee in dieser Inszenierung.

„Die Verwandlung“ | R: Romy Schmidt | Sa 23.5., Mi 27.5. 20 Uhr, So 24.5. 19 Uhr | Prinz Regent Theater Bochum | 0234 77 11 17

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Für immer hier

Lesen Sie dazu auch:

Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24

„Was heißt eigentlich Happy End heute?“
Alexander Vaassen inszeniert „How to date a feminist“ in Bochum – Premiere 05/23

Lug und Trug und göttliche Rettung
„Onkel Wanja“, „Orestes“ und „Dantons Tod“ – Prolog 03/23

Widerstand ist immer machbar
Januar-Programm der Freien Theater im Ruhrgebiet – Prolog 01/23

The Return of Tragedy
Theater im Ruhrgebiet eröffnen die neue Spielzeit – Prolog 09/22

„Wir müssen in der Lage sein zu spielen“
Hans Dreher vom Prinz Regent Theater über die Arbeit während Corona – Premiere 08/20

2 Stunden, 2 Spieler, 2 Stücke
Neue Dramatik im Prinz Regent Theater – Bühne 04/20

Es braucht kein Gewimmel von Hexen mehr
Goethes „Faust“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Auftritt 11/19

Lumpi gegen den Perfektionswahn
„Ein hündisches Herz“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Bühne 05/19

Archäologie eines Songs
Thomas Meinecke über „Cherchez la femme“ am 26.6. im Prinz-Regent-Theater Bochum – Musik 07/18

Der Feind im Kopf
„Extremophil“ im Prinz-Regent-Theater Bochum – Theater Ruhr 05/18

Die eine kommt, die andere geht
In Neuss und Bochum wechseln die Intendantinnen – Theater in NRW 04/18

Theater Ruhr.

HINWEIS