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Lange verheiratet und trotzdem eifersüchtig, „Othello“
Foto: Thomas Aurin

Fünfzehnter Hochzeitstag

30. Januar 2014

Misslungener „Othello“ am Bochumer Schauspielhaus – Theater Ruhr 02/14

Die im vergangenen Jahr heftig geführte „Blackfacing“-Debatte, die die Darstellung von Schwarzen durch weiße Schauspieler mittels dunkler Schminke einer harschen Repräsentationskritik unterzog und als rassistisch geißelte, hat auch in Bochum ihre Spuren hinterlassen. Othello trägt einfach nur schwarze Klamotten: Anzug, Schuhe, Pistole Militärmantel, alles schwarz. Und Desdemona? Weißes kurzes Kleidchen, weiße Stiefel. Platt und plakativ, aber politisch korrekt. Und außer der Bezeichnung als „Mohr“ gibt es nichts, was den dunkelhäutigen Söldner Othello als Außenseiter, aber auch erfolgreichen Aufsteiger in der venezianischen Handelsgesellschaft markiert.

Regisseur David Bösch interessiert sich an diesem Abend weder für den kulturellen Konflikt, noch für den militärischen Aspekt in Othellos Karriere, ebenso wenig für die Verwerfungen innerhalb einer vermeintlich kosmopolitischen Gesellschaft oder die Rolle der Ehefrauen der Militärkaste. Das Personal der Tragödie ist derart radikal auf die Hauptfiguren zusammengestrichen, dass letztlich nur noch das Eifersuchtsdrama bleibt. Doch auch da kommen schnell Zweifel auf. Zu Beginn berichten Othello und Desdemona in der dunklen, heruntergekommenen Marmorhalle mit schäbiger Glaskassettendecke ganz ruhig, wie alles anfing, wie aus ihnen ein Paar wurde, dann Umarmung und Kuss – alles ohne jede Leidenschaft: Mindestens fünfzehnter Hochzeitstag also. Matthias Redlhammer ist ein älterer Othello, zunächst eher abgeklärt, mit rauher Stimme. Erst wenn Jago seinen ersten Eifersuchts-Nadelstich setzt, legt Redlhammer den Schalter um und tobt – woher diese Emphase plötzlich kommt, bleibt rätselhaft. Ebenso rätselhaft wie die psychologische Dimension von Felix Rechs advocatus diaboli. Jago ist hier ganz vernunftgesteuerte Intrige, kein Hauch von Diabolischem, keine Spielernatur, noch nicht mal alerte Vernichtungskälte. Auch wenn Bösch ihn zwischendurch das berühmte Credo aus Giuseppe Verdis „Otello“-Oper rezitieren lässt, so unerotisch, so wenig faszinierend war dessen düsterer Nihilismus selten zu sehen.

Und Desdemona? Schon das weiße Kleid weist sie als Unschuldslamm aus. Friederike Brecht gibt sie als gutgläubiges, naiv-vertrauensvolles Mädchen, die mit ihrem Mann samt Koffern wie bei einem Urlaub in das eroberte Zypern einzieht, im Schlepptau Jagos schwangere Ehefrau Emilia (Xenia Snagowski). Ein bisschen blass, ein bisschen konturlos – dass sie die Ehe mit dem Außenseiter Othello gegen den Willen ihres Vaters durchgesetzt hat, nimmt man ihr nicht ab. Und warum sie sich für Cassio einsetzt, den Florian Lange als Mischung aus Georg Schramm und vertrottelt-beflissenem DDR-Grenzer spielt, bleibt unerfindlich. Was interessiert sie an dieser alkoholisierten Militärcharge? Ist das Naivität oder ein grundlegendes Unrechtsbewusstsein? So schnurrt die Eifersuchtsmaschine eintönig dahin – natürlich dauert am Ende das Erdrosseln Desdemonas mühsam lange, natürlich muss dann noch mal geschossen werden. Nach fast drei (viel zu langen) Stunden ist es dann endlich vorbei.

„Othello“ | R: David Bösch | 28.2., 8.3., 18.3., 19.30 Uhr, 30.3. 17 Uhr | Bochumer Schauspielhaus | 0211 36 99 11

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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