Wer kennt Namen wie Mara Mattuschka, Michael Snow oder Christoph Schlingensief? Es sind Namen, die für eine Filmwelt fernab des gewohnten Spielfilms stehen und diesen dabei so bereichern. Viele dieser Filme erfahren oft niemals eine Kinoauswertung, weil sie als Kurzfilme schon an der Lauflänge scheitern, weil sie oft keiner klaren Narration mehr folgen und sich nicht entschlüsseln lassen. Und das, weil sie die Konventionen eines klassischen „Spiel“-Films oftmals nicht erfüllen wollen. Sie bilden einerseits ein Alternativmodell zum Hollywoodkino und verweisen doch andererseits immer wieder auf eben jenes. Mit großer Vielfalt bilden sie den kreativen Motor, der auch die große Filmindustrie immer wieder antreibt. Dabei sind sie mit den einfachsten Mitteln produziert und erhalten nicht mehr als die Brotkrumen der Filmförderung. Es sind Filme, die man auch heute meist nur auf einschlägigen Kurzfilmfestivals sehen kann. Als Forum und Förderer solcher Avantgardefilme und Kurzfilme kommt den Filmfestivals und den zahlreichen Kinos in der Region, die Ihnen ein Heim bieten, daher bis heute eine besondere Bedeutung zu. Und wenn es um Kurzfilme geht, dann trifft sich die internationale Szene im Mai wieder im Ruhrgebiet, wenn das älteste aller Kurzfilmfestivals, die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen vom 11. bis zum 16. Mai zum 63. Mal stattfinden.
Während in Oberhausen natürlich klar der Wettbewerb der neuesten nationalen, internationalen und lokalen Kurzfilme im Vordergrund steht, soll sich in Zeiten von Fake News und Radikalisierungstendenzen in den Social Media das diesjährige Thema um die Frage bewegen, wie die Tendenzen sozialer Medienformen vor dem Internet, in Form von Videokollektiven, ausgesehen haben. Der Kurzfilm also, der zur gesellschaftlichen Diskussion führt. Sei es durch Auslotung der Grenzen des Technischen und des Zeigbaren oder durch die Dekonstruktion massenmedialer Darstellung. Der Avantgardefilm ist hier in seinem natürlichen Habitat, genauso wie das Musikvideo als mittlerweile eigenes Kurzfilmgenre, das MTV schon lange überlebt hat.
In 13 Sektionen stellen die Kurzfilmtage genreunabhängige Formen des kurzen Films in ihrer ganzen Vielfalt dar. In der Sektion „Profile“ richtet sich das Augenmerk auf Werkschauen, wie die vom Videokünstler Bjørn Melhus, der aus gefundenem Filmmaterial neue Filme entstehen lässt, das Filmmaterial dekontextualisiert und damit zugleich stereotype Darstellungen der Massenmedien dekonstruiert und so hinterfragt. Verleiher präsentieren Avantgardefilme der Filmgeschichte aus ihren Katalogen und in der Sektion „Archive“ haben die Besucher Einblick in ungekannte Filmschatzarchive, wie in die „Trophäen-Sammlung“ des Reichsfilmarchivs oder in frühe Experimentalfilme aus der Sowjetunion. So geht es auch historisch in die Grenzgebiete des kurzen Films. Aber Kurzfilm ist auch Medienkunst. So zeigt der „Verein für aktuelle Kunst“ parallel zu den Kurzfilmtagen die Videoinstallation „Happyland“ des philippinischen Künstlers Khavn, die multimedial in den Ausstellungsraum eingreift und aus diesem interaktives Happening und Laborsituation macht. Denn Film und Medienkunst kann immer mehr Raum entstehen lassen, als sich in der Kinosituation zwischen Betrachter und Leinwand auf den ersten Blick offenbart.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
Was läuft im Kino?
Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24
Prognose: Lachstürme
Die Komödie findet endlich ins Kino zurück – Vorspann 02/24
Emanzipation und Alltag
Starke Protagonistinnen im Januar – Vorspann 01/24
Was vom Kinojahr übrig bleibt
Rückblick 2023 – Vorspann 12/23
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Ruhrgebietsfilmgeschichte erleben
„Glückauf – Film ab!“ im Essener Ruhr Museum
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24