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Mit Ironie gegen Afd. und Co: Hasnain Kazim veröffentliche seine Dialoge
Foto: Benjamin Trilling

Hunderte Schriftwechsel mit WutbürgerInnen

08. Mai 2019

Hasnain Kazim mit „Post von Karlheinz“ am 6.5. im Bochumer Bahnhof Langendreer – Literatur 05/19

Rechte Umtriebe sind das nicht. Aber Hasnain Kazim fragt besser nach, als es erneut im Studio 108 dröhnt: „Was ist das eigentlich?“ Züge natürlich, wie Kazim schließlich erfährt, der an diesem Abend zum ersten Mal im Bahnhof Langendreer liest. Dass ihm zuweilen Bange werden kann, überrascht nicht: Manche seiner Lesungen oder Hate Poetrys fanden bereits unter Personenschutz statt. Seine Mailkonten und seine Profile auf Sozialen Medien werden regelmäßig überflutet: von offen rassistischen Anfeindungen und Drohungen. Der Grund: sein nicht ur-deutsch klingender Name, der unter zahlreichen Artikeln auf Spiegel Online steht, in denen der Auslandskorrespondent über das aktuelle Geschehen in Pakistan oder der Türkei berichtet.

Irgendwann wollte Kazim die Hasstiraden nicht mehr ignorieren. Anfang 2016 entschied er sich, einfach mal zu antworten. In zwei Jahren entstanden Dialoge, die eine erschreckende und zugleich beißend komische Bestandsaufnahme bundesdeutscher Zustände liefern. Die Highlights versammelte der Journalist unter dem Titel: „Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte.“

 Im Kulturbahnhof Langendreer liest Kazim Auszüge und erläutert oft die Hintergründe seines Projekts und seine persönlichen Erfahrungen, als Anfang der 90er alles anfing. Damals erschütterten Pogrome das wiedervereinigte Deutschland. „Das waren Jagden auf Menschen, während andere zuschauten“, erinnert sich Kazim. „Mir hat sich das Ganze tief eingeprägt.“ Kurz darauf heuerte er bei einer Regionalzeitung an. Und erhielt prompt die ersten anonymen Hassbriefe. „Eine Argumentation gab es schon damals nicht“, sagt der Adressat heute. „Neu ist also nicht der Hass an sich, sondern wie man ihn zu spüren bekommt.“

Doch die Hemmschwelle sank in den letzten Jahren, wie Kazim bemerkt. Über den Startschuss kann auch er nur rätseln. Der Einzug der AfD in den Bundestag? Sarrazins Schädellehren-Bestseller? Von Anstand und Respekt hat sich der gesellschaftliche Alltag seitdem jedenfalls oft verabschiedet, wie etwa Kazims Dialoge mit einem Herbert S. belegen. Dieser kommentierte einen Artikel am 11. November 2016 mit folgenden Worten: „Du bist ein Islamist!!!!!!!!!!!!Du willst Deutschland übernehmen!!!!!Ich werde handeln!!!!!!“ Kazim antwortete: „Assalamu alaikum, Bruder Herbert. Danke für deinen Aufnahmeantrag. Ich freue mich über deinen Wunsch zu handeln, ebenfalls Islamist zu werden und auf unserem Weg zu wandeln […] Willkommen, Bruder! Waleikum assalam, Abu Hasnain Bin Kazim, Tora Bora, Afghanistan.“

 Das Ergebnis sind reale Dialoge, die auch an diesem Abend für lautes Lachen im Veranstaltungssaal sorgen. Kazims sarkastische Manöver lassen die WutbürgerInnen manchmal einknicken, noch wütender werden oder sogar zur Besinnung kommen. Insgesamt unterscheidet er zwischen drei Typen an LesebriefverfasserInnen: Die ersten seien eigentlich unpolitisch und sehen nur eine „Ventilfunktion“ darin, sich auszukotzen. Als zweiten Typen macht Kazim die LeserInnen aus, die rüde Inhaltliches von Artikeln mokieren. Und schließlich die letzte Kategorie: „Das ist die Gruppe von waschechten Rassisten“, so der Journalist.

Worte wie „Fremdkörper“ oder „Ratte“ seien gefallen. Folglich lehnt Kazim es ab, mit Rechten zu reden: „Ich spreche mit niemanden, der mich in die Gaskammer wünscht.“ Ausschließlich Abgehängte, wie von vielen Medien unterbreitet, seien die Absender nicht. Viele setzten auch ihre akademischen Titel unter den verzapften Hass. „Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich leider dramatisch“, resümiert Kazim, der immerhin etwas mit seinem Buch zum Besseren gewendet hat: „Die Zahl der Hassbriefe ist seitdem viel geringer.“

Benjamin Trilling

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