Was für eine Tradition! Die Internationalen Stummfilmtage Bonn finden in diesem Jahr tatsächlich zum 37. Mal statt. Es lohnt sich also, die Filmgeschichte lebendig zu halten, so dass das Festival inzwischen selber schon eine gute Tradition ist. Einmal im Jahr treffen sich bei mal besserem, mal schlechterem Wetter tausende von Filmfans, aber auch Freunde des besonderen Kulturerlebnisses im Innenhof der Friedrich-Wilhelms-Universität mitten in Bonn, um den Stummfilm zu feiern. Und nicht nur den, sondern auch dessen Vertonung. Denn die Vorführungen werden von Livemusik begleitet.
Im Publikum mischt sich jedes Jahr im August filmisches Expertentum mit der allgemeinen Freude an Zeitreisen. Tatsächlich hatte das Festival wie wenige andere das Glück, während der Pandemie sowohl im vergangenen Jahr als auch in diesem Jahr stattfinden zu können – wenn auch unter anderen Rahmenbedingungen und eingeschränkten Möglichkeiten.
Trotz der langen Tradition gibt es nun mit der neuen künstlerischen Leitung durch Eva Hielscher und Oliver Hanley erstmals eine Doppelspitze. Doch der Rahmen und klassische Ablauf des Festivals ändert sich dadurch nicht. Vom 12. bis 22. August werden 21 Kurz- und Langfilme vom Krimi über die Komödie bis zum Drama und der Dokumentation aus den Jahren 1913 bis 1930 gezeigt, die aus 15 Archiven weltweit zusammengetragen wurden. Wie schon im vergangenen Jahr werden die Filme wegen der geringeren Platzkapazität vor Ort nach der Vorführung 48 Stunden lang als Stream zur Verfügung stehen.
Zur Eröffnung gibt es in diesem Jahr einen alten, aber nicht altmodischen Film: 1926 drehte die schwedische Regisseurin (und Nebendarstellerin) Karin Swanström ihren letzten Film „Flickan i frack“, in dem eine junge Frau im Frack einen Abschlussball besucht und damit einen Skandal auslöst. Weniger Gender-Fragen, mehr Action bietet „Die Jagd nach der Million“, der die dramatischen Attraktionen auch noch touristisch attraktiv an die Adria gelegt hat. Mit „Der Präsident“ ist auf dem Festival auch das Debüt von Carl Theodor Dreyer aus dem Jahr 1919 in einer neu restaurierten Fassung zu sehen, die in Bonn seine internationale Premiere feiert. Der Film handelt von Liebe und den gesellschaftlichen Zwängen, die sie verhindert. Der Protagonist fügt sich diesen Zwängen und gerät dadurch in moralische Nöte. „Die Entführung des Bankiers Fux“, 1923 von Karl Anton inszeniert, der unter den Nazis auch Propaganda- und Durchhaltefilme drehte, wird als schräge Kriminalkomödie angekündigt, die sich sowohl am frühen Ernst Lubitsch als auch dem amerikanischen Slapstick orientiert. Ein Jahr später drehte der Russe Lew Kuleschow im Stile eines Harold Lloyd oder Buster Keaton seine Westernsatire „Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Lande der Bolschewiki“, die sich über amerikanische Klischees zum Bolschewismus lustig macht. Der auch filmisch sehr ideenreiche Film genießt heute Kultstatus. Als Abschlussfilm des Festivals wird August Clarence Browns „The Signal Tower“ in einer aufwendig restaurierten Fassung gezeigt, die zu diesem Anlass erstmals außerhalb der USA zu sehen sein wird.
37. Internationale Stummfilmtage – Bonner Sommerkino | 12. – 22.8. | Arkadenhof der Universität Bonn | www.internationale-stummfilmtage.de
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