Zeitreisen sind möglich. Der Journalist Jan Stremmel unternahm eine – „in den toten Winkel der Globalisierung“, wie es in seinem Buch heißt. Denn seine Reportage führte ihn unter anderem ins indische Kolkata (Kalkutta), wo er sich mindestens hundert Jahre zurückversetzt fühlte, in eine Art Manchesterkapitalismus. Denn in den Fabriken der westlichen Welt, dem Trikont, dirigieren oft Subsubsubunternehmen die Produktion – vorzugsweise ohne Arbeits- oder Umweltschutz und zahlen Löhne, die frei von gewerkschaftlichem Kampf zustande kamen.
Im Fuß klafft ein Loch
„Heutzutage kann man Zeitreisen unternehmen“, stellt Jan Stremmel daher im Literaturhaus Dortmund fest, wo er am Donnerstagabend seinen Reportage-Band vorstellte. Der Titel: „Drecksarbeit. Geschichten aus dem Maschinenraum unseres bequemen Lebens“. Immerhin gebe es mittlerweile ein Lieferkettengesetz, das viele Schweinerein von Subunternehmen unterbinden soll, wie Stremmel an diesem Abend betont.
Wie der Alltag etwa von Textilfabrikarbeiter:innen am Stadtrand von Kolkata aussieht, das beschreibt Stremmel direkt im ersten Kapitel seines Buchs eindringlich. Das liegt auch daran, dass der Journalist aus investigativen Gründen mitwerkelte. Und zwar mit Lauge und Säure, womit die Werktätigen in der erwähnten Fabrik Textilien für europäische Discounter herstellen.
Verdrängte Orte der Globalisierung
Stremmel erwähnte gleich anfangs seinen Fehler, dabei Turnschuhe getragen zu haben. Denn die chemische Suppe ätzt durch den Stoff. Nach der Schicht zieht er den durchlöcherten Schuh und einen zerfetzen Socken aus. Im Fuß klafft ein Loch. Blutige Füße für schnelle Mode. Denn Konzerne wie Zara oder H&M verdoppelten zuletzt ihren Absatz durch diese sogenannte Fast-Fashion, wie Stremmel argumentiert. Verdrängt werde, dass dahinter oft ein blutiger Arbeitsprozess steckt. „Die Arbeit wird immer noch verrichtet, nur nicht in unserem Sichtfeld“, sagt Stremmel.
Dass der Autor ebenso aktiv an den Arbeitsprozessen teilnahm erinnert, erinnert an die Investigativreportagen von Günter Wallraf, der zu „Drecksarbeit“ ein Vorwort schrieb. Dabei reiste Stremmel mit einem Team zu diesen verdrängten Orten der Globalisierung, um eine Videoreportage zu drehen. Das geschah auch. Aus etlichen Notizen destillierte er nun zusätzliche diese mitreißende Insider-Reportage.
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