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Manuela Schwesig (38) ist stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern.
Foto: SPD Bundesvorstand

„Merkel drückt den Frauen ein altes Rollenbild auf“

28. Juni 2012

Manuela Schwesig über Kita-Ausbau und Betreuungsgeld – Thema 07/12 Kita

trailer: Frau Schwesig, brauchen wir noch weitere Kita-Plätze in Deutschland?
Manuela Schwesig:
Der Bericht der Bundesfamilienministerin sagt, dass noch weitere 160.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren notwendig sind. Besonders in Westdeutschland gibt es noch einen großen Ausbaubedarf. Deshalb müssen wir Geld in den Ausbau und die Qualität der Kitas stecken und nicht in ein Betreuungsgeld.

Wahrscheinlich müssen Sie uns Westdeutschen aber zunächst erklären, dass Kinder in Kitas gar nicht an sozialer Kälte leiden.
Ich glaube, dass ich das Menschen aus dem Westen nicht erklären muss. Im ganzen Land hat sich mittlerweile durchgesetzt, dass Kindertagesstätten keine Aufbewahrungsstätten sind, sondern Bildungseinrichtungen. Die Förderung der Kinder muss sehr früh beginnen, nicht erst, wenn sie mit drei Jahren in den Kindergarten oder gar mit sechs Jahren in die Schule kommen. Kinder sollen früh die Chance haben, unter Kindern zu sein, die Sprache, das Sozialverhalten und auch die Motorik zu erlernen. Darum ist es für alle Kinder gut, die Kita besuchen zu können, insbesondere für viele Kinder aus Migrantenfamilien und aus bildungsfernen Familien.

Die Bundesregierung sagt, dass die Kommunen sich bezüglich des Kita-Ausbaus nicht genügend engagieren.
Die Bundesregierung unterstützt vor allem die Baukosten. Die Kommunen aber müssen die laufenden Kosten bewältigen. Ein Krippenplatz kostet im Jahr 10.000 Euro. Außerdem müssen Kommunen und Länder noch die vielen Kindergartenplätze bezahlen. Der Bund gibt für einen Krippenplatz gerade einmal 1.000 Euro. Es ist wichtig, dass sich der Bund auch an diesen Kosten beteiligt. Deshalb will die SPD die jährlichen Kosten von 1,2 Milliarden Euro, die für das Betreuungsgeld verpulvert werden, stattdessen für die laufenden Kosten der Kitas einsetzen. Wir brauchen in den Kitas gutes Personal. Deshalb ist es fahrlässig, nicht in diesen Bereich zu investieren. Wegen des hohen Bedarfs darf die Bundesregierung nicht die Tür aufmachen für Billig-Kitas.

NRW hat besonders wenig Kita-Plätze. Haben wir da etwas verschlafen?
Unter der CDU-Regierung von Jürgen Rüttgers ist fast gar nichts passiert. In den letzten zweieinhalb Jahren hat Hannelore Kraft richtig geklotzt.Seit dem Regierungswechsel sind rund 28.000 Plätze neu geschaffen worden. Und diesen Weg wird die SPD in NRW jetzt fortsetzen, denn es gibt noch viel zu tun. Das zeigt aber auch, dass man einen Kita-Platz nicht über Nacht herzaubern kann.

Ist die Tagesmutter nicht eine bessere Alternative zur Kita?
Ich setze auf einen Mix. Im ländlichen Raum wird es eher die Tagesmutter sein, die die Kinder betreut, weil man wohnortnah keine Einrichtung unterhalten kann.

Sie bekommen für Ihre Kritik am Betreuungsgeld nun auch Zustimmung von unerwarteter Seite. Die Arbeitgeberverbände kritisieren das Betreuungsgeld.
Das ist ja auch kein Wunder! Das Betreuungsgeld ist eine Maßnahme wider jeden wirtschaftlichen Verstand. Die Wirtschaft benötigt dringend Fachkräfte. Das Betreuungsgeld wird hingegen dazu führen, dass gut ausgebildete Frauen zu Hause bleiben und auf dem Arbeitsmarkt fehlen.

Es geht also auch um Frauenpolitik?
Natürlich. Frau Merkel und Frau Schröder drücken den Frauen wieder ein altes Rollenbild auf. Dabei ist es für Frauen nach wie vor wichtig, sich eine eigene berufliche Existenz aufzubauen. Nur so bekommen sie eine armutsfeste Rente. Wenn sich eine Frau darauf verlässt, dass der Partner das Geld mit nach Hause bringt, hat sie große Probleme, wenn die Beziehung scheitert.

Interview: Lutz Debus

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