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„Der nackte Wahnsinn“
Foto: Birgit Hupfeld

Miss Marple auf Dope

28. Mai 2015

„Der nackte Wahnsinn“ in Oberhausen – Theater Ruhr 06/15

Eines kann man dem Stück „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn nicht vorwerfen: sein komödiantisches Potential. Diese Meta-Farce voller Irrungen und Wirrungen ist nicht nur eine Hommage an den Theaterbetrieb, auch eine schaurige Analyse des Kulturbetriebs. Aber – es ist auch eine Falltür für einen Regisseur. Wenn dieser Abend nicht funktioniert, das bleibt hängen, das nimmt man wahr. In Oberhausen ist der junge Regisseur Sarantos Zervoulakos dieses Wagnis eingegangen, mit Standard-Bühnenbild nebst Drehbühne (Bühne: Thea Hoffmann-Axthelm), mit Miss-Marple-Melodie als Einstieg und US-amerikanischer Plattitüde: that‘s entertainment, that‘s show business. Es wurde keine Niederlage, dafür sorgte schon eine Inszenierung mit angezogener Handbremse, es war kein Dauer-Feuerwerk wie einst die unvergessene Inszenierung der jungen Karin Henkel am Schauspielhaus Bochum (1997), es wurde ein irgendwie entschleunigter Michael Frayn. Klar, die Pointen ziehen auch ohne Tempo, doch macht heute eine heruntergelassene Hose noch keine schenkelklopfenden Lacher. Auch wenn das Stück im Stück „Nackte Tatsachen“ heißt.

Aber noch ist auf der Bühne ja Probe und der Zuschauer kann hoffen und sicher sein: Der Teller mit angeklebten Sardinen wird noch Folgen haben. Nach der Pause beginnt die Farce hinter der Farce. Wieder wird im zweiten Akt der erste gespielt, doch die Bühne hat sich gedreht, man gönnt dem Publikum ein Blick hinter die Kulissen, wo sich eher Tragödien abspielen, die zu kollektivem Herzschmerz und zu Pleiten, Pech und Pannen auf der Bühne dahinter führen. Zervoulakos bleibt bei seiner angezogenen Handbremse, während sich das willige und spielfreudige Oberhausener Ensemble sichtlich abrackert, am Text und wohl auch an den Regieanweisungen. So witzig war der mit Rollator ausstaffierte Einbrecher-Opa (Martin Müller-Reisinger) auch wieder nicht, und selbst das letzte Chaos im Chaos bei der finalen Aufführung bleibt seltsam fade. Blumen für die geschwängerten Frauen und den Staatsanwalt (ne, das war eine andere Komödie). Und am Ende sehnen sich alle danach, dass der letzte Vorhang fällt.

„Der nackte Wahnsinn“ | R: Sarantos Zervoulakos | Sa 13.6. 19.30 Uhr | Theater Oberhausen | 0208 857 81 84

PETER ORTMANN

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