„Viele meinen ja, die 80er waren musikalisch nicht so der Bringer“, lacht Bernd Faust, während er im Backstage-Zelt das blaue Uniformhemd überzieht. So schlimm könne es aber nicht gewesen sein, fährt er fort, „Depeche Mode füllen schließlich heute noch die Hallen“. Wenig später schallt ein typisches 80er-Intro von der noch menschenleeren Bühne: sphärische Synthesizerklänge, in denen die ursprünglichen Streicher noch zu erahnen sind. Dann betreten die Zwillinge Bernd und Dirk Faust zusammen mit Lars Kauter die Bühne und posieren in Reih und Glied mit ausdruckslosen Mienen vor dem Publikum.
In den 70er Jahren erforschten Musiker wie Kraftwerk und Jean Michel Jarre die Möglichkeiten des Synthesizers, verbanden auf neue Weise experimentelle und populäre Einflüsse. Die neuen Klangwelten verbanden sich mit Punk und verwandten Bewegungen und prägten so zu einem guten Teil das, was als New Wave bekannt wurde. In diesem Umfeld bewegte sich auch die US-amerikanische Band DEVO, deren Name sich von „De-Evolution“ herleitet und für die Idee steht, die Menschheit schreite nicht fort, sondern entwickle sich rückwärts. DEVOs Kostüme erinnern an AKW-Schutzkleidung, Roboter oder Western-Parodien, gewollt ungelenke Choreographien karikieren Leitbilder einer von Technik und Konsum geprägten Gesellschaft.
Auf der Bühne beziehen die Männer nun ihre Positionen: Bernd Faust am elektrischen Standschlagzeug, Lars Kauter an der Gitarre, Dirk Faust am Keyboard und als Sänger. Seit rund zwei Jahren sind die drei unterwegs als DEVO-Coverband DEVO-tion. Musik machen sie schon seit ihrer Jugend. Die Brüder Faust haben sich mehrfach ähnlichen Projekten gewidmet, Lars Kauter trat bereits mit den Donots auf. Bei Bochum Total haben sie sich auch schon beworben, als Jugendliche. Leider erfolglos. Nun hat es geklappt – 30 Jahre später begrüßt sie das Publikum vor der trailer-Wortschatzbühne auf Bochum Total.
Die authentischen Sounds stünden im Mittelpunkt, betont Bernd Faust noch hinter den Kulissen. Darum seien die Backing-Tracks bewusst nicht auf den neuesten Stand der Technik gebracht – sondern eben „80er pur“. Auf frühere DEVO-Songs wie das Stones-Cover „(I can't get no) Satisfaction“ oder „Mongoloid“ verzichten DEVO-tion. „Hören gelernt haben wir mit den späteren Hits“, erklärt Bernd Faust, „die haben sich eingebrannt“.
Es geht los mit satten, trockenen Grooves, über die sich der klare Gesang Dirk Fausts legt. Wie die Vorbilder greifen auch DEVO-tion bald zu originellen Kopfbedeckungen. Sie haben sich für Helme aus Globushälften entschieden, versehen mit orangenem Schutzglas. „Ihr glaubt gar nicht, wie warm es unter den Dingern ist“, stellt Dirk Faust fest, nachdem die letzten Peitschenhiebe von „Whip It“ verklungen sind. Ob das am Klimawandel liege, fragt er.
Das Spiel mit Globus und Klima ist nicht beiläufig. Bei einem Auftritt bei Rock gegen Rechts spendeten DEVO-tion ihr Honorar den ersten 250 Fans; jeder bekam 5 Euro, die als DEVO-Dollar noch vor Ort auszugeben waren. Die Besucher standen vor der Wahl: Zum Bierstand gehen oder für die Flüchtlingshilfe spenden? Der Klimawandel wird weitere Millionen Menschen weltweit zur Flucht zwingen. Grund genug, sich mit moralischen Fragen auseinanderzusetzen, finden DEVO-tion. Damit setzen sie sich zugleich mit dem Widerstreit auseinander, der kritischen Projekten wie DEVO zwangsläufig innewohnt: Die Kritik der Technik bedient sich der kritisierten Technik. Auch Kunst verbraucht Ressourcen und trägt zu den beanstandeten Problemen bei. Wie damit umgehen? Spenden sind ein Weg. Ironie, einschließlich Selbstironie, ist ein weiterer.
Vielleicht fragt Dirk Faust darum irgendwann: „Hat sich der Weg für euch gelohnt, ein paar Bekloppte zu sehen?“ Offenbar: Vor der Bühne sind die Reihen geschlossen, und hier und da wird getanzt. Nach der Zugabe kommt ein verschwitzter Bernd Faust von der Bühne. Wie es war? „Sehr geil, sehr warm“, sagt er.
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