Verlegen stehen am Anfang noch alle in kleinen Grüppchen beieinander, viele junge und teilweise auch ältere Gesichter unter ihnen. Moop Mama, die vor einem Jahr noch selbst als Vorband von Jan Delay auftraten, präsentieren zunächst ihren eigenen Stimmungsmacher aus Stuttgart, den Rapper Marz.
Zu klassischen HipHop Beats nickten die Köpfe. Lässig und selbstironisch performt Marz Titel aus seinem ersten Album „Love 2 Hate“, das dem Oldschool-HipHop treu bleibt. Die Hände gehen in die Luft, zum „Händchenhalten“. Der Kontrabass verleiht dem ganzen auch sanfte Töne, eine Mischung aus HipHop-Beats und Orchesterinstrumenten, wie sie auch Moop Mama einsetzt.
Dann kommen die Männer in den rot-weißen Overalls auf die Bühne. Los geht es mit dem ersten Song ihres neuen und dritten Albums „M.O.O.P. Topia“, das sie im Frühjahr diesen Jahres heraus gebracht haben. Danach spielt die politischen Ballade „Meermenschen“ auf die Flüchtlingskrise an.
Aber Moop Mama machen nicht nur politische Songs, sondern handeln auch danach. Um ihr neues Album zu promoten, fuhr die Band im Mai mit Fahrrädern von Festival zu Festival. Eines der Fahrräder mitsamt der gesammelten Unterschriften, verkaufen sie nun, um den Erlös an ein Flüchtlingsprojekt in München zu spenden. „Es kommt nur auf die Taten an“, wie es auch im Songtext von „Meermenschen“ heißt.
Die Texte des Rappers MC Keno Langbein beinhalten Kritik an Politik, Staat und Gesellschaft. Manchmal erst beim genaueren Hinhören erkennbar, verpackt in intelligente, schnelle Rhymes. Erst nach zwei Songs begrüßen Moop Mama die Menge: „Heute sind nur Schalke Fans hier, oder?“ – mit Fußballwitzen werden Sympathien gesammelt.
Die Bandmitglieder liefern ein Solo nach dem anderen, angefangen mit einem Posaunen-Solo, das ganz und gar nicht schüchtern wirkt. Freestyle-Talent Keno rappt „Wir sind laut und stark, haltet euch fest“, springt in die Menge und lässt Leute aus dem Publikum ins Mikrofon sprechen und findet die entsprechenden Antworten dazu. Eine mitreißende Show, bei der das Publikum ordentlich angeheizt wird.
Bei dem Song „Paranoia“, der auf Überwachung und Datenmissbrauch anspielt, wird es plötzlich dunkel und Instrumente werden gegen Taschenlampen getauscht. Sie leuchten auf den Mann mit Mütze und Mikrofon, der mit einer beängstigenden Ernsthaftigkeit seinen Sprechgesang abliefert. Eine bedrohliche Stimmung wird erzeugt, die unter die Haut geht, gefolgt von einem Tuba-Solo und tosendem Applaus.
Die Band dreht immer mehr auf, startet eine Bewegung, die durch die Masse geht und der sich niemand entziehen kann. Sie liefet eine Mischung aus tiefsinnigen, poetischen Rap: „Ich höre die Leute reden, doch verbindet uns nichts, außer schnurlose Telefone“ und grooviger, teils poppiger Musik. Bei ihrem bekanntesten Hit „Liebe“ begeben sich die sieben Bläser, zwei Schlagzeuger und Rapper auf Tuchfühlung in die Menge.
Mit Ironie auf Kosten der Laktoseintoleranten leitet Keno über zu dem aktuellsten Song „Alle Kinder“, gefeatured von Jan Delay, der an diesem Abend leider nicht anwesend ist. Angefangen hat die „Marching“-Band mit Guerilla-Konzerten in den Straßen Münchens – oft auf Konfrontationskurs mit Polizei und Ordnungsamt. Die Anarchie der Straßenmusik soll bei ihrer Tour präsent bleiben, zum Beispiel im Song „Bullenwägen“, der den Streit mit der Staatsmacht um die Straße auf der Bühne erzählt.
Die Songzeile „Das ist unser Platz, wie gehen hier nicht weg“, brüllen die Fans anstelle von „Zugabe“ und besetzen vorübergehend das FZW. Die Zugabe beginnt mit viel Nebel und Schwarzlicht und leitet den Moop Mama-Marsch ein. Sie lassen die Trommelfelle beben und die Masse stampfen wie ihre eigene Elefantenherde. Zeilen wie „Setz deine Maske ab, die du jeden Tag trägst“, hauen sie den Leuten um die Ohren, dass einem fast schwindelig wird.
Moop Mama bietet eine überzeugende Bühnenperformance. Vielleicht sind sie mit ihrem Urban Brass, einem Mix aus HipHop, Jazz-Harmonien und elektronischen Beats, der eine breite Masse anspricht, bald schon Weltstars.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Musik aus dem Zauberwald
Marta Del Grandi in Dortmund – Musik 01/24
Kameraden und Familie
Chuck Ragan & The Camaraderie in Dortmund – Musik 12/23
„Die Leute auf ihr Unglück aufmerksam machen“
Die Kölner Punkrock-Band Detlef über Mitmenschen und eine einzigartige Stimmfarbe – Interview 12/18
Verschrobener Pop
Ins Paradies mit Tristan Brusch – Popkultur in NRW 10/18
Wutabbau und Rap-Entdeckungen
Konzertvorschau mit The Bronx, Ceschi Ramos und Arcee
Schwere Entscheidungen, schweres Leben für kleine Bühnen
Konzert-Vorschau: Massive Attack, Egotronic und das Konzert-Aus fürs Eden
Blues in Dortmund, Global Beats in Bochum
Konzert-Vorschau fürs Ruhrgebiet mit Dan Patlansky und Imam Baildi
Urbane Endzeit-Ekstase oder Folk aus Färöer
Konzert-Vorschau: Peine Perdue, Xarah Dion & der Liveurope Day
Predigten und Penisse
Größter Ruhrpott-Slam am 3.2. im FZW – Poetry 02/16
Mäntel des Schweigens
Interpol und Abay am 17.8. im FZW Dortmund – Musik 08/15
Das blaue Licht in Bochums Norden
Otto Groote Ensemble im Bochumer Kulturrat – Musik 12/24
Schummerlicht und Glitzerhimmel
Suzan Köcher's Suprafon in der Bochumer Goldkante – Musik 12/24
Pessimistische Gewürzmädchen
Maustetytöt im Düsseldorfer Zakk – Musik 11/24
Komm, süßer Tod
„Fauré Requiem“ in der Historischen Stadthalle Wuppertal – Musik 11/24
Konfettiregen statt Trauerflor
Sum41 feiern Jubiläum und Abschied in Dortmund – Musik 11/24
Erste Regel: Kein Arschloch sein
Frank Turner & The Sleeping Souls in Oberhausen – Musik 10/24
Eine ganz eigene Kunstform
Bob Dylan in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle – Musik 10/24
Psychedelische Universen
Mother‘s Cake im Matrix Bochum – Musik 10/24
Sich dem Text ausliefern
Bonnie ,Prince‘ Billy in der Essener Lichtburg – Musik 10/24
Improvisationsvergnügen
Das Wolfgang Schmidtke Orchestra in der Immanuelskirche – Musik 09/24
Essen-Werden auf links drehen
Cordovas im JuBB – Musik 09/24
Rock ‘n‘ Roll ohne Schnickschnack
Gene Simmons und Andy Brings in der Turbinenhalle Oberhausen – Musik 08/24
Vielfalt, Frieden und Respekt
3. Ausgabe von Shalom-Musik.Koeln – Musik 07/24
Die Ruhe im Chaos
Emma Ruth Rundle in Bochum und Köln – Musik 07/24
Musikalische Feier
Markus Stockhausen Group im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden – Musik 07/24