Für zwei satte Stunden konnte man in Oberhausen von der heilen Filmwelt NRW träumen. Fünf Werke entführten in die kreativen Universen des Nachwuchses und vermittelten den Eindruck, dass man sich um eben jenen Filmstandort, in dem 1991 die landesweit erste regionale Filmförderungsanstalt geschaffen wurde, keine Sorgen machen müsste. Leider dauerte der Traum nur für die Dauer des zweiten Programmblock eines diesmal deutlich zwiegespaltenen NRW-Wettbewerbs. Ein Umstand, der symptomatisch für die deutsche Filmförderlandschaft als Ganze und die derzeitige Debatte um den Spagat zwischen Kunst und Kommerz zu sein scheint.
Inhaltlich perfekt aufeinander abgestimmt, kreisten die Beiträge eben jenes zweiten Blocks im weitesten Sinn um das Motiv der Heimat und die individuelle Erfahrung derselben. Drei von der Kunsthochschule für Medien Köln produzierte Projekte beeindruckten in Puncto Handwerk und Einfallsreichtum. Von einem gleichermaßen berührenden wie visuell anspruchsvollen Portrait über den verstorbenen Vater in Matthias Stolls „Sterben nicht vorgesehen“, über Jie Lus fast schon surrealistische Coming-of-Age Parabel „Ein Schuh geht barfuss“, die ästhetisch an Michel Gondry in seinen besten Zeiten erinnerte bis hin zu einer lokal-kolorierten Ruhrpott-Hommage, in der sich Tarantino-Schick mit Gelsenkirchener Barock paart.
Der zweite Programmblock unterstrich somit die Perspektive, dass künstlerischer Anspruch und Publikumstauglichkeit nicht per se unvereinbar sind, wie die Reaktion der Zuschauer verdeutlichte. Ein starker Kontrast zum Screening des ersten Blocks. Dieser wirkte disparat in seiner Zusammenstellung und oszillierte zwischen verkopften Experimenten und stilistisch unauffälligem Erzählkino. Ein knapp zweiminütiger Clip contra Bulimie zeigte die im Wald scheue Rehe streichelnde, betroffene Titelgeberin „Christina“, Installationskünstler Daniel Burkhardt präsentierte eine Kompilation seines über die Dauer von einem Jahr wiederholt selbst gefilmten Schattens und mit „Ich kannte mal jemanden in Kentucky“ (FH Dortmund) hüllte Gunar Meinhold seine Beziehungsverarbeitung zwar in pittoreske Landschaftsaufnahmen, montierte diese aber wirr aneinander. Mit „Guck woanders hin“ von Charlotte Anne-Marie Rolfes prämierte die Jury zwar eine handwerklich solide, aber narrativ wie filmsprachlich konservative Arbeit.
Es bleibt zu hoffen, dass dies kein Indiz für eine Entscheidung wider pluralistischer Förderung zugunsten des gefälligen Profits ist. Aber angesichts der sich in der Komposition der Programmblöcke subtil manifestierenden, gegensätzlichen Haltungen ist den Kuratoren um Carsten Spicher – ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt – ein Kommentar zugunsten einer weiterhin vielseitigen Förderungsagenda und gegen eine auf ökonomischen Erfolg allein konzentrierte Filmförderpolitik gelungen. Und gerade in einem derart großen und multikulturellen Filmland wie NRW scheint die Hoffnung berechtigt, dass beide Ansprüche aufgrund des künstlerischen Nachwuchspotentials vereinbar sind.
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