Erst im hohen Alter wurde Hans Josephson (1920-2012) über seine schweizerische Heimat hinaus bekannt: als Solitär der Bildhauerei, der in seinem gesamten, sechs Jahrzehnte umspannenden Schaffen unbeirrt an der menschlichen Figur als einzigem Sujet festgehalten hat. Es ist auch nicht so, dass Josephson besonders viele Varianten der Darstellung erkundet hätte. Im Gegenteil, er arbeitete an der grundsätzlichen, noch wiedererkennbaren Konstitution mit den Mitteln des Expressiven: an der Prägnanz. Bei Hans Josephson ist der Mensch in meist lebens- oder überlebensgroßer Formverdichtung zum Torso abstrahiert. Die Skulptur tritt dem Betrachter voller Wucht gegenüber, gesteigert durch die vibrierende, minutiös zerklüftete Oberfläche, ausgeführt in Gips oder als Messingguss. Wichtig ist der Glanz der Patina, der den Körper erst recht in Lebendigkeit versetzt. Josephson erreicht ein enormes Spektrum an Beweglichkeit und Ausdruck, wobei er sich die Grundformen des Körpers immer wieder neu vornimmt: die stehende, bis zur Stele verknappte Gestalt, die mit angewinkeltem Bein liegende Figur sowie die Büste. Zumal im späten Werk ist das Gesicht allenfalls skizziert, obwohl Hans Josephsohn immer vom Modell ausging. Aber er widmete sich eben der geistigen Verfassung, in der die skulpturale Fixierung zur existenziellen Chiffre wird.
Die Retrospektive im Essener Museum Folkwang bewältigt die Aufgabe bravourös, aus Skulpturen, die sich teils auf Sockeln, teils auf dem Boden befinden und mitunter als Reliefs an der Wand hängen, Räume zu gestalten, die eine fast sakrale Ruhe vermitteln und doch zur Bewegung animieren. Plötzlich fallen einem die Frauentorsi von Thomas Schütte ein, die vor einigen Jahren an gleicher Stelle ausgestellt waren. Wie bei diesen, so stellt sich auch jetzt die Frage nach Tradition und Gegenwart. Josephsohn ist natürlich unzeitgemäß – andererseits kann man sagen, dass gerade dieses Unangepasste Aktualität trägt. Der Mensch ist hier massiger, grober Körper mit gewaltigem Volumen. Aber darin ist er ganz selbstverständlich, unmittelbar berührend: imposant.
Hans Josephson | bis 24.6. | Museum Folkwang Essen | www.museum-folkwang.de
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