Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Das Detroit-Projekt: „Shoot Out"
Foto: Klaus Weddig

Partizipation und Abwehrzauber

27. November 2014

Theater als sozialaktivistischer Treibriemen – Theater in NRW 12/14

Theater ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Daran glauben die Theatermacher seit Jahrhunderten. Seit der Gedanke der Schaubühne als moralischer Anstalt in der Welt ist, ist die Selbstbehauptung als kritische Instanz der Gesellschaft immer in Griffweite. Zur Schizophrenie gehört allerdings, dass das Ästhetische zugleich als unantastbares Naturreservat behauptet wird. Einfluss nehmen verboten.

Mit dem Neoliberalismus und der Präsenz der sozialen Medien hat sich die Rolle des Theaters grundlegend verändert. Angesichts des fortschreitenden Bedeutungsverlusts inszeniert es sich zunehmend als Institution im öffentlichen Raum, in dem gesellschaftliche Gruppen ein Forum finden, in dem Stadtgesellschaft als partizipativer Prozess aktiv und reflexiv zu erfahren ist.

In Köln hatte im Sommer Nuran Calis Stück „Die Lücke" Premiere, eine Reflektion um rechtsradikalen Terror und die Realität der Einwanderergesellschaft. Anlass war der zehnte Jahrestag des sogenannten Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße. Calis konfrontierte Bewohner der Straße mit deutschen Schauspielern, inspizierte die Mehrheitsgesellschaft mit ethnologischem Blick und untersuchte zugleich die Folgen der Ermittlungspannen. Die Produktion fokussiert damit das Gedenken der Stadt, die selbst mit mehreren Veranstaltungen an den Anschlag erinnerte, stellte es aber zugleich auch infrage.

Stark zukunftsorientiert und zugleich als sozial aktivierender Treibriemen inszenierte sich dagegen in Bochum das Schauspielhaus mit dem Stadtprojekt „This is not Detroit". Ein Jahr lang wurde mithilfe von Symposien, Theaterstücken, Filmen und Ausstellungen über die Stadt nach der Schließung des Opel-Werks nachgedacht. Wobei eine erstaunliche Differenz zutage trat. Kunstaktionen wie „Die Kinder von Opel" des kainkollektivs, der Kurzfilm „Ein Werk verschwindet" des Duos Hofmann & Lindholm oder die Installation „Shoot Out" von Chris Kondek und Christiane Kühl setzten sich kritisch und retrospektiv mit Opel, aber auch dem Stadtprojekt selbst auseinander. Die Kuratoren hingegen hatten schon zu Beginn des Projekts betont, den Blick eher auf den Wandel als auf die Krise richten zu wollen. Und so spielten partizipative Aktionen wie ein „Zukunftsfest" oder die Ausstellung „Mein Bochum – unsere Zukunft" im gesamten Stadtraum eine große Rolle. Ein bisschen Abwehrzauber war dabei unübersehbar: Mit der insolventen Motortown Detroit mochte man sich nicht vergleichen.

Das Problem vieler Projekte ist ihre Nachhaltigkeit und ihr dürftiger Synergieeffekt fürs Theater selbst. Nichtsdestotrotz: Der Partizipation entgeht heute kaum eine kulturelle Institution. Der zukünftige Düsseldorfer Intendant Wilfried Schulz hat am Staatsschauspiel Dresden eine Bürgerbühne eingerichtet. Die Bürger recherchieren, erarbeiten Projekte und stehen als Akteure auf der Bühne. Nicht nur einmal. Fünf Produktionen sind allein in der laufenden Spielzeit angekündigt, von „Merlin" über „Katzelmacher" bis zu einem Projekt über die Elbe. Man wird abwarten müssen, ob dieses Modell auch für Düsseldorf tragfähig ist.

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Gegen Remigrationspläne
Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen – Was danach geschah“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 05/24

Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24

Die Erbsen sind immer und überall
„Woyzeck“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/24

Wolf oder Schaf
„Mindset“ am D’haus Düsseldorf – Prolog 10/23

Siehst du, das ist das Leben
„Der erste fiese Typ“ in Bochum – Theater Ruhr 06/23

Mit Psyche in die Unterwelt
„Underworlds. A Gateway Experience“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 01/23

Tonight's the Night
Musikalische Silvester an den Theatern im Ruhrgebiet – Prolog 12/22

Zeichenhafte Reduktion
NRW-Kunstpreis an Bühnenbildner Johannes Schütz verliehen – Theater in NRW 12/22

Das Kollektiv als Opfer
„Danza Contemporanea de Cuba“ in Bochum – Tanz an der Ruhr 12/22

„Es geht um eine intergenerationelle Amnesie“
Vincent Rietveld über „Bus nach Dachau“ am Schauspielhaus Bochum – Premiere 11/22

Keine Versöhnung in Sicht
„Einfach das Ende der Welt“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 10/22

The Return of Tragedy
Theater im Ruhrgebiet eröffnen die neue Spielzeit – Prolog 09/22

Theater.

Hier erscheint die Aufforderung!