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„Bilge Nathan"
Foto: Nicolas Plancq

Profit teilt Toleranz

22. Dezember 2015

„Bilge Nathan“ im Prinz Regent Theater – Theater Ruhr 01/16

Gefühltes Ambiente Volkshochschule Bochum VHS-Kurs R 14007 „Europa – Im Bann der Migration". Den gibt es tatsächlich! Aber eigentlich sind wir doch im Prinz Regent Theater und wollen Thilo Refferts zeitgenössische Indoktrination eines Lessing-Stoffes begutachten. Ausgerechnet „Nathan der Weise" interkulturell fürs Klassenzimmer zwischen Aids-Plakaten und Landkarten. Der schlaue Jude, der clevere Moslem und irgendwo noch ein Christenmädchen? Um Gottes willen, oder Allah oder wer nun?

Nach einigen quälenden Sekunden kommt auch jemand. Das ist Alexander Ritter als arbeitsloser Schauspieler Ben, der keine Lust mehr in Berlin so rumzuharzen und aktuell die Fördertopfe des Kultusministeriums anstechen möchte. Lessing in der Schule geht da immer, blöd nur heutzutage – und das ist kein Witz im Schmelztiegel Berlin, geschweige denn im nicht gerade kulturaffinen sozialdemokratischen NRW – braucht man einen Alibi-Ausländer, gern aus Afrika oder Arabien, ein Türke reicht, soweit sind wir schon, und deshalb muss man bereits Theaterchefin Romy Schmidt für die Ansetzung von „Bilge Nathan" dankbar sein; die Regie macht sie natürlich auch beim Zweipersonen-„Kulturdesaster". Ben kommt also allein, sein Kumpel Mehmet, genannt Memo ist „natürlich" nicht da. Typisch. Fördergelder für Integration und Toleranz ja, aber deutsche Pünktlichkeit – das ist etwas anderes.

Ben fängt schon mal mit dem Lessing an. Irgendwie muss er die Zeit überbrücken – und wir Schüler sitzen ja da. Dann kommt Memo (Ismail Deniz), der Performing Streetworker natürlich doch. Er ist natürlich nicht zu spät, sondern ihm wurde einfach von Ben die falsche Zeit gesagt. Auch Memo knallt erst einmal durch den Nathan, bis Ben zurückkommt, dann knallt es interkulturell. Die Verteilung der Fördergelder ist ungerecht, die Rollenverteilung ist schwierig, soll der Deutsche tatsächlich den Juden spielen oder soll Memo nicht lieber, doch der will natürlich den wilden Araberfürsten. Auch in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Stoff sind sie sich nicht grün. Und das soll Toleranz werden? Integration? Nun, gutes Theater ist es jedenfalls.

„Bilge Nathan" | R: Romy Schmidt | Di 19.1. 19.30 Uhr, Mi 20.1. 11 Uhr | Prinz Regent-Theater Bochum | 0234 77 11 17

PETER ORTMANN

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