„Wenn jemand in Gelsenkirchen sagt, ,Hallo du Arsch‘, meint er ,Hallo mein Freund‘, in Düsseldorf hingegen sagt man ,Hallo mein Freund‘ und meint ,Hallo du Arsch‘“, erklärt Kabarettist HG. Butzko die Finessen seiner Heimat. In Köln sei es dann noch eine Spur hinterfotziger. „Hallo mein Freund“ stünde dort für „Hallo mein Freund“. Wie solle sich da ein Zuwanderer unfallfrei integrieren, fragt Butzko ins Publikum und nimmt einen Schluck aus dem Humpen, den er vor sich auf den Bartisch gestellt hat.
Dann wechselt er auf die andere Seite des Tischs und schaut lange ins Publikum. Er blickt nach vorne, man möchte ihm fast ein Kissen unter die Arme legen und einen Fensterrahmen um ihn herum zeichnen. Denn so wie der Nachbar zu Hause, der aus dieser Position die Leute beobachtet, ist auch Butzko ein hervorragender Beobachter seiner Mitmenschen.
Vor circa 300 Leuten in der Kaue in Gelsenkirchen findet der Träger zahlreicher Kabarettpreise eine gute Balance zwischen solch amüsanten Beschreibungen und faktenbasierten, bissigen Kommentaren zur deutschen Politik. Themenwechsel wie sie auch nur mit einem halben Hintern auf einem Barhocker sitzend möglich sind. Seine Bandbreite geht von Florian Silbereisens Nicht-Musik über deutsche Waffenlieferungen nach Saudi Arabien bis hin zu Kritik an aktueller Berichterstattung, die aus Anschlägen erst Terror mit möglichst vielen traumatisierten Überlebenden mache.
Was ist überhaupt dieser Terror? Ein terroristischer Täter habe einfach ein anderes Buch gelesen als ein Amokläufer, folgert Butzko und stellt dann noch die simple Rechnung auf: Ist ein Moslem der Täter, spricht man von Terror. Ist es kein Moslem, von Psycho.
Zwischen die vielen Lacher aus dem Publikum und den lang anhaltenden Applaus streut er immer wieder die Aussage, dass er nichts verharmlosen wolle. Nur möchte er es sich auch nicht so einfach machen und alle in einen Sack stecken. Er sehe es zudem nicht ein, nur eine religiöse Gruppe komisch zu finden. Das Thema Religion steht an diesem Abend im Zentrum. Dabei unterscheidet Butzko zwischen Religion und Religiosität. Religionen seien Kartelle der Macht. Und egal ob Dschihadisten oder Evangelikale, das Problem sei der Machtanspruch von Religionen und eine Politik, die vor ihnen einknickt. Bei seiner Religionsbesprechung wagt der Gelsenkirchener es auch, die Zuhörer zu strapazieren. Wiederholt setzt er mit versprochenen Zitaten aus dem Koran an und lässt dann doch erst einmal blutige Bibelauszüge folgen.
Seit mittlerweile 20 Jahren ist er auf Deutschlands Bühnen unterwegs. Angefangen mit seinem ersten Programm „Butzkolonne“. Wie es dieser Titel schon verspricht, macht der Mann mit der grauen Kappe auf dem Kopf auch vor plattesten Wortspielen keinen Halt und nimmt die schönsten, auf der Hand liegenden Angebote der deutschen Sprache mit, wenn er beispielsweise „Thomas de Misere“ fallen lässt.
Butzko selbst bezeichnet sich in der Kaue als gläubigen Atheisten, der doch einer Religionsgemeinschaft angehöre. Einer Gemeinschaft, die ihn – er blickt sich in den Reihen um – definitiv zu einer Minderheit mache. Eine Religionsgemeinschaft, die das Tragen von Haaren verbietet, sagt Butzko und lüftet seine Kappe.
Weitere Termine HG Butzko: Sa 10.6. | Cabaret Queue | Dortmund | www.cabaret-queue.de
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