Der Wechsel aus dem reichen, bürgerlichen Zürich ins polyzentrisch-zersiedelte Ruhrgebiet kommt vermutlich einem Kulturschock gleich. Barbara Frey, die bis zum Sommer das Zürcher Schauspielhaus leitete, übernimmt ab 2021 für drei Jahre die Intendanz der Ruhrtriennale. Die Entscheidung von NRW- Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen zielt zunächst auf Sicherheit und Vertrauen. Die 56-jährige Schweizer Regisseurin gilt als leitungserfahrene und durchsetzungsstarke Intendantin, die sich nicht umsonst ein Jahrzehnt am Zürcher Schauspielhaus halten konnte, das sowohl wegen der Zuschauererwartungen, als auch der politischen Gemengelage als schwierig gilt.
Frey kam dabei ohne einen einzigen Skandal aus. Gerade davon aber hatte die Ruhrtriennale zuletzt reichlich. Die derzeitige Leiterin Stefanie Carp ließ nicht nur Defizite in der innerbetrieblichen Organisation, sondern auch in der Kommunikation nach außen und im Umgang mit der Politik erkennen. Der haarsträubende Konflikt um die Band Young Fathers und deren Engagement für die antisemitische BDS-Bewegung sowie die politischen Folgen wären Barbara Frey vermutlich so nicht unterlaufen.
Sollte Freys Zürcher Theaterarbeit als Passepartout für ihr Ruhrtriennale-Programm dienen, darf man getrost von einem ästhetischen Rollback sprechen. Anders als manche ihrer experimentierfreudigen Ruhrtriennale-Vorgänger ist die Schweizerin ein ureigenes Gewächs der Stadttheater und ihres bürgerlichen Kunstverständnisses. Freys Inszenierungen leben aus einem tiefen Vertrauen in die Literatur von Shakespeare bis Horváth.„Literatur sagt nicht nur, was ist, sondern auch, was sein könnte und was gewesen ist“, so lautet ein Satz von ihr.
In Zürich schöpfte die künftige Ruhrtriennale-Chefin finanziell aus dem Vollen und holte alles, was im deutschsprachigen Theater Rang und Namen hat: Frank Castorf, René Pollesch, Karin Henkel, Stephan Kimmig, Heiner Goebbels oder Martin Kusej – eine ästhetische und formale Vielfalt, die Barbara Frey nicht nur tolerierte, sondern sehr uneitel förderte – mitunter bis zur Grenze der Beliebigkeit. Mit allem programmatischen Vorbehalt: Mit Barbara Frey steuert die Ruhrtriennale zukünftig in ästhetisch ruhigeres Fahrwasser.
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