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Typisch fürs Ruhrgebiet: die HaldeHaniel
Foto: Stadt Bottrop

Schutthaufen statt Stadttheater

26. Juli 2012

Was macht die Halde Haniel außerhalb der Theatersaison? – Thema 08/12 Kulturförderung

Preisfrage: Was macht ein RuhrTriennale-Spielort, wenn gerade keine RuhrTriennale stattfindet? Er spendet keinen Schatten – aber Trost. Denn anstatt Bäumen findet man auf der Halde Haniel im Bottroper Nordwesten in erster Linie Totholz. 15 Stationen hat das Erzbistum Essen hier 1995 als Kreuzweg aufstellen lassen, jede davon besitzt die Form eines Förderturms. Denn verantwortlich für die Halde ist letztlich die Ruhrkohle AG. Die betreibt direkt nebenan eine Zeche namens – Überraschung –Prosper Haniel mit einer Förderung von vier Millionen Tonnen Kohle. Als Nebenprodukt der prosperierenden Kohleförderung, die in den nächsten Jahren ein jähes Ende finden wird, brachte sie die Masse an Abraum hervor, die heute als Industriekulturdenkmal in jedem Reiseführer steht. Und um nicht nur die Leiden Christi, sondern auch die der Bergleute für die post-montanen Ruhrgebietsbewohner und ihre touristischen Gäste nachfühlbar zu machen, beginnt jeder Besuch der 159 Meter hohen Halde mit einem etwa 25minütigen Aufstieg per pedes.

Zumindest gefundenes Fressen für Hobbyfotografen
Einmal dort angekommen hat man eine wirklich fantastische Aussicht über die angrenzenden Städte: Dinslaken, Gladbeck, Oberhausen, Gelsenkirchen und selbstverständlich Bottrop selber. Nur das Kohlekraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven drängt sich beim Blick nach Osten ein wenig unangenehm ins Sichtfeld. Der wahre Blickfang ist aber die für das Ruhrgebiet typische Haldenkunst. Diese folgt dem tradierten Muster. Man nimmt ein eher zweckmäßiges Material mit Verbindung zum Schweiß der alten Arbeitswelt und stellt es leicht verfremdet in die Gegend. Auf der Halde Haniel durfte der baskische Bildhauer Agustín Ibarrola alte Eisenbahnschwellen als „Totems“ in einem Halbkreis aufstellen. Welche Gruppe genau diese Totems eigentlich repräsentieren sollen, bleibt dagegen ein wenig unklar, aber seine Installation ist zumindest gefundenes Fressen für Hobbyfotografen und hat damit den primären Zweck von Kunst im Ruhrgebiet gleich erfüllt: Sie lockt Touristen an. Der größte Trostspender inmitten dieser „Wahnsinnswüstenlandschaft“ (Wim Wenders) ist jedoch das 800 Plätze umfassende Amphitheater, in dem die einheimischen Bildungsbürger die Einheit von Zeit, Raum und Handlung im faux-authentischen Ambiente genießen dürfen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur eine Verneigung vor der Kultur der ‚Gastarbeiter‘ aus Italien. Auf Sizilien steht so ein Amphitheater schließlich auf jedem Hügel, der ein wenig was auf sich hält. Am Eröffnungswochenende der Triennale werden die Japanoiser Boredoms hier ihren proto-schamanistischen Trommelzirkel abhalten. An den 51 anderen Wochenenden ist das Vollrund dann die Kulisse für alltägliche Ausflugsaktivitäten: eine Brotzeit auf dem Halbrund und eine Schnappschusslocation für den geliebten Vierbeiner.

CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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