Drei Figuren der Nibelungensaga stehen im zehnten und letzten Teil des Nibelungenzyklus „Volkers Lied“ (Text: Werner Streletz) auf der Bühne: Volker, Hagen und Brünhild. Die drei scheinen ihrer Zeit und ihrer Geschichte entflohen und befinden sich im Nirgendwo. Geblieben sind Gewalt und der Albtraum der Erinnerung an vergangene Schlachten.
Gefangen im eigenen Wahn zerkratzt Brünhild (Dagny Dewath) sich die Unterarme, bis das Blut durch die angelegten Bandagen quillt. Gepeinigt durch die Erinnerung an Siegfried kann sie nicht mehr schmecken: Es quält sie die Angst, einst an der schwarzen Luft, die sie umgibt, zu ersticken. Auch Hagen (Martin Bretschneider) holt immer wieder die Vision von Siegfried ein, der doch eigentlich längst tot ist. Ob im schwarzen Anzug am Schalter der Sparkasse oder im NATO-Look, er scheint Hagen zu verfolgen und durchkreuzt so seine Pläne, für einen Investor den Nibelungenhort zu heben. Doch wer ist dieser geheimnisvolle Investor? Was hat Siegfried mit ihm zu tun, oder ist er es am Ende selbst? Volker (Andreas Bittl) indessen glaubt nicht, dass Siegfried noch lebt; er verzweifelt am Wahn Brünhilds und Hagens. Er, der Spielmann, zieht sich in die Welt der Musik zurück und hofft, dass wenigstens diese die Gewalt überdauert. Für Volker soll das Musizieren etwas so Selbstverständliches sein wie das Atmen. Auch wenn die Saiten seiner Gitarre nach und nach reißen, bleiben ihm schließlich noch seine Stimme zum Singen und die Hände zum Trommeln.
Bei all den Sorgen scheint den Figuren aber auch oft eins zu sein: langweilig. Volker und Hagen vertreiben sich die Zeit mit Golf und Dart, hängen Erinnerungen nach oder versuchen, gerade diese durch Alkoholkonsum auszulöschen. Ihre Dialoge plätschern vor sich hin, während es auch für den Zuschauer dabei von Zeit zu Zeit etwas zäh wird.
Trotzdem ist Hans Dreher eine tolle Inszenierung gelungen – vom minimalistischen Bühnenbild über die tolle Musikauswahl (insbesondere „Paint it black“ bekommt leitmotivischen Charakter) bis hin zu großartig ausgearbeitetem pantomimischem Spiel. Zwar kann man dem Gang der Geschichte nicht immer ganz folgen; es tritt jedoch bei der großen Freude, die das Zuschauen macht, völlig in den Hintergrund.
„Volkers Lied“ I So 8.1., 19.30 Uhr I Rottstr 5, Bochum I 0163 761 50 71
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