Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
17 18 19 20 21 22 23
24 25 26 27 28 29 30

12.595 Beiträge zu
3.821 Filmen im Forum

„Kabale und Liebe“
Foto: Hans Jürgen Landes

Schwarzes Loch im Blütenmeer

29. November 2012

„Kabale und Liebe“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Theater Ruhr 12/12

Alles hätte so schön sein können, wenn da nicht Eltern und Karriereleiter und Stand und Ehre und was weiß ich sonst noch eine unsichtbare Mauer aus Lug und Trug gebaut hätten, gegen die die beiden Liebenden erst anrennen und an der sie am Schluss verzweifeln. Die letzte Reise treten die blutjungen Menschlein zwar gemeinsam an, dennoch bleiben an Friedrich Schillers bürgerlichem Trauerspiel „Kabale und Liebe“ immer ein paar dramaturgische Zweifel. Denn die ganze Geschichte steht und fällt mit der vorsätzlichen Sprachlosigkeit und dem subjektiven Misstrauen, das penetrant bedient werden muss, um dem Stück zu seinem schrecklichen Ende zu verhelfen. Ferdinand kommt immer zu gut weg, dabei ist er nicht tragisches Opfer, sondern eher der Dummkopf in dieser Auseinandersetzung zwischen den Ständen Württembergs im 18. Jahrhundert.

Sibylle Broll-Pape inszeniert den aktuellen Abiturstoff um die schwierige Liaison zwischen dem adligen Major Ferdinand von Walter (Helge Salnikau) und Luise (Nagmeh Alaei), der Tochter des Musikus Miller, in ihrem Theater dementsprechend abwechslungsreich und ziemlich fragmentarisch. Am Stück interessiert sie nur die Liebe in ihrer schrecklichsten Form, die zwischen Himmel und Hölle irgendwann scheinbar nicht mehr unterscheiden kann. Der Abgrund ist unvermeidlich.

Ein wunderbares Bild gleich zu Beginn. Die Liebenden schaufeln haufenweise Blüten auf die nackte Bühne, ein buntes Meer, auf dem sie noch ausgelassen tanzen, bevor die Intrige ihre Pfeile aussendet. Ein in den Kostümen modernes Paar, deren Befindlichkeit oft mit der Musik der Indie-Band Archive gespiegelt wird. Die von Broll-Pape oft genutzte Videotechnik liefert in dieser Inszenierung dagegen nur Überschriften. Ausgezeichnet sind ihre Personenführung und die Choreografie auf der doch knappen Bühne. Nichts wirkt gestelzt oder aufgesagt; Schiller auf zeitgenössischem Sprachniveau, ohne seinen Rhythmus zu verfälschen.

Ein echter Hingucker ist der Hofmarschall von Kalb (Jan Arwed Maul), der im Prinz Regent Theater ein affektierter, ziemlich tumber Protagonist ist und immer zum Hit „Mr. Saxobeat“ von Alexandra Stan auftritt. Auch das wird die junge Seherschaft bestimmt vom Handy fernhalten.

„Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller | R: Sibylle Broll Pape | Fr. 14.12. 20 Uhr | Prinz Regent Theater Bochum

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Für immer hier

Lesen Sie dazu auch:

Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24

„Was heißt eigentlich Happy End heute?“
Alexander Vaassen inszeniert „How to date a feminist“ in Bochum – Premiere 05/23

Lug und Trug und göttliche Rettung
„Onkel Wanja“, „Orestes“ und „Dantons Tod“ – Prolog 03/23

Widerstand ist immer machbar
Januar-Programm der Freien Theater im Ruhrgebiet – Prolog 01/23

The Return of Tragedy
Theater im Ruhrgebiet eröffnen die neue Spielzeit – Prolog 09/22

„Wir müssen in der Lage sein zu spielen“
Hans Dreher vom Prinz Regent Theater über die Arbeit während Corona – Premiere 08/20

2 Stunden, 2 Spieler, 2 Stücke
Neue Dramatik im Prinz Regent Theater – Bühne 04/20

Es braucht kein Gewimmel von Hexen mehr
Goethes „Faust“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Auftritt 11/19

Lumpi gegen den Perfektionswahn
„Ein hündisches Herz“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Bühne 05/19

Archäologie eines Songs
Thomas Meinecke über „Cherchez la femme“ am 26.6. im Prinz-Regent-Theater Bochum – Musik 07/18

Der Feind im Kopf
„Extremophil“ im Prinz-Regent-Theater Bochum – Theater Ruhr 05/18

Die eine kommt, die andere geht
In Neuss und Bochum wechseln die Intendantinnen – Theater in NRW 04/18

Theater Ruhr.

HINWEIS